Stanislav Grof: Holotropes Atmen

Nachdem Grof positive Erfahrungen mit der Erforschung psychedelischer Substanzen in der klinischen Psychiatrie gemacht hatte, versuchte er außergewöhnliche Bewußtseinsprozesse auch mit Hilfe von holotroper Atemarbeit herbeizuführen.
Er ist zu der Überzeugung gelangt, daß außergewöhnliche Bewußtseinszustände ebenso effektiv zur Heilung durch holotropes Atmen eingesetzt werden können.
Stanislav Grof siedelt die Wirkungsweise des Holotropen Atmens in der Nähe von Heilungsritualen von Naturvölkern, schamanischem Heilen oder Nahtoderlebnissen an. Durch bewußte Integration schmerzlicher Erfahrungen werden die negativen Emotionen reduziert. Außerdem wirkt das Erfahren des holotropen Zustandes allein schon heilend.

Grof erstellte eine neue Kartographie der menschlichen Psyche, die er in drei große Bereiche unterteilt:

  1. Erfahrungen der analytisch-biographischen Ebene
    - biographisches Material wird voll und ganz mit Gefühlen und Körperempfindungen wiedererlebt Erinnerungen,
    Phantasien aus unterschiedlichen Lebenabschnitten haben eine starke gemeinsame emotionale Besetzung
    - Körperliche Traumata haben eine größere Bedeutung als psychische Traumata
  2. Begegnung mit Geburt und Tod, Geburts- und Todeserlebnisse werden häufig verknüpft erlebt.
    Es gibt unterschiedliche Erlebnisse, die analog mit der tatsächlichen Geburtsphase verknüpft sind.
  3. Transpersonale Dimensionen der Psyche: Transpersonale Erlebnisse drücken sich in Empfindungen aus,
    die weit über die normalen Grenzen des „Ich´s“ hinausgehen.

Arbeitsebnen des Holotropen Atmens

  1. Durch eine Beschleunigung des Atemrhythmus kommt es zu einer Freisetzung unbewußten Materials. Es kann
    zu Entspannung mit einem Gefühl des Wohlbefindens und Visionen von Licht führen. Meistens bewirkt die
    Hyperventilation jedoch heftige emotionale Erlebnisse und psychosomatische Bschwerden. Aufgestaute Energien
    werden gelöst, indem der Klient durch diese Erlebnisse und Empfindungen durchatmet, durchgeht.
  2. Anregende Musik hilft ebenso wie das Hyperventilieren, außergewöhnliche Bewußtseinszustände herbeizuführen
    und bestimmte Emotionen, Erfahrungen und Empfindungen hervorzuholen.
  3. Gezielte Körperarbeit wird überwiegend in der Schlußphase einer Sitzung eingesetzt und nur wenn der Klient
    nicht allein zu einem befriedigenden Abschluß des Prozesses kommt. Körperkontakt als vorsichtige Berührung
    setzt der Therapeut bei bestimmten Traumata und nur nach Einwilligung des Klienten ein.

 

Grof, Stanislav Dr. med., Dr. phil.

Jahrgang 1931, geboren in Prag, dort Studium der Medizin und Medizinphilosophie, Spezialisierung auf Psychiatrie. Leiter eines Programms zur Erforschung des Potentials psychedelischer Therapie am Psychiatrischen Forschungskrankenhaus in Prag.
1967 Auswanderung in die USA. Mitglied der klinischen und Forschungsabteilung der John Hopkins University und der Forschungsstelle des Spring Grove State Hospitals, Baltimore. 1969 Leiter der psychiatrischen Forschung am Maryland Psychiatric Research Center, Assistant Professor für Psychiatrie an der Henry Phillips Clinic.
1973 Umzug nach Kalifornien an das Esalen Insitut, Big Sur. Mitbegründer
Die systematische Erforschung der theoretischen Bedeutung und des praktischen Werts außergewöhnlicher Bewustseinszustände sind Schwerpunkt seiner Mitte der 50er Jahre in Prag aufgenommenen wissenschaftlichen Arbeit. Bis 1973 waren G.'s Arbeiten fast ausschließlich der Wirkung unterschiedlicher psychedelischer Substanzen (z.B. LSD) und deren Bedeutung für Psychiatrie und Psychologie gewidmet. Dabei arbeitete er sowohl mit Neurotikern, Alkoholikern, Drogenabhängigen als auch mit Krebskranken im Endstadium.
Im Zuge der restriktiveren Gesetzgebung in den USA bezüglich der psychedelischen Forschung entwickelte G. seit 1973 zusammen mit seiner Frau Christina die sog. Holotrope Therapie als eine Methode der Selbsterfoschung, die auf nicht-pharmakologischem Weg das gesamte Spektrum psychedelischer Phänomene hervorrufen kann und damit ähnliche Heilungspotentiale besitzt.

G. ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätzen in unterschiedlichen Zeitschriften. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift Transpersonale Psychologie und Psychotherapie.



Literaturbeispiele:: Stanislav Grof: „Jenseits des Todes“, Kösel Verlag, 1985 Geburt, Tod und Transzendenz. Neue Dimensionen in der Psychologie. 1987 Das Abenteuer der Selbstentdeckung. Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände. Ein Leitfaden.
1994b Das Heilungspotential außergewöhnlicher Bewußtseinszustände. In: Zundel/Loomans: Psychotherapie und religiöse Erfahrung 1994 2000 Das holotrope Bewußtsein und das Böse