Knie - Sport (164)
Der Klient ist Triathlonläufer, leidet aber seit einiger Zeit unter Schmerzen
im rechten Knie. Er hatte sich im Sommer 1997 operieren lassen und fing jetzt,
im Herbst 1998 wieder an zu Laufen. Dabei tauchten dieselben Schmerzen wieder
auf. In der Probesitzung wird die im Hintergrund wirkende Krankheitsstruktur
sehr deutlich.
Der Klient fühlte sich als Kind häufig allein und „wie das dritte
Rad am Wagen.“ Irgendwann fing er mit dem Triathlon-Lauf an, um dieses
Gefühl zu kompensieren. „Das kann ich alleine, dafür brauche
ich die anderen nicht. Das ist nicht wie beim Fußball, wo man jemanden
braucht zum spielen, wo man gegen andere kämpfen muß.“ Zugleich
hatte er aber auch Erfahrungen, u.a. mit einem Lehrer gemacht, die sein Selbst-wertgefühl
untergraben hatten. Als er nun beim Laufen zum ersten Mal anfing, an sich zu
zweifeln, nach dem Motto „die anderen wollen mich nicht, aber alleine
schaffe ich es auch nicht“ - begannen die Knieschmerzen. In dieser Sitzung
konnte die Struktur bereits teilweise destabilisiert werden, jedoch nicht in
ausreichendem Maße, um die gesamte Struktur zu kippen. Dazu bedarf es
weiterer innerer Auseinandersetzung mit den, in der Probesitzung aufgedeckten
Themen „Annahme und Selbstwert“.
n der Probesitzung geht der Klient die Treppen runter, betritt den Gang mit
Türen - zwei links, zwei rechts und eine in der Mitte. Er wählt die
Türe in der Mitte und beschriftet diese mit dem Wort „Knie“.
Nachdem er sie geöffnet hat, findet er sich auf dem Sportplatz seiner Grundschule
wieder.
Kl: Ich stehe alleine da. Ich habe einen blauen Trainingsanzug an. Ich stehe
an der Außenwand von der Turnhalle.
Th: Spür mal in dich rein, wie ist jetzt dein Gefühl, was ist jetzt
da?
Kl: Ein bischen aufgeregt, ein bißchen aufgewühlt, Herzklopfen.
Th: Spür mal dein Herz ... frag es mal warum du Herzklopfen hast, warum
du aufgeregt bist.
Kl: Warum bist du aufgeregt, Herz? ... Ich rutsche da immer wieder in ein Geschehnis
ab.
Th: Laß es mal da sein.
Kl: Dann seh ich Walter und Tom. - atmet tief. - Da kommt diese Ungerechtigkeit
hoch.
Th: Sprich sie direkt an, die beiden.
Kl: Ihr seid ungerecht. ... Die lachen. - Der Therapeut regt die direkte Kommunikation
an. - Ihr lacht.
Th: Sag Ihnen auch wie es dir damit geht.
Kl: Ich kriege Herzklopfen und eine Schwere in der Brust. Das Herz ist so schwer,
als wenn ich so alleine dastände.
Th: Wie reagieren sie?
Kl: Sie lachen.
Th: Geh mal konkret in eine Situation rein und bleibe da. Nimm die, die jetzt
als erstes kommt oder dir am wichtigsten ist.
Kl: Ja, da ist so Wut in mir, Wut und Enttäuschung. Wir sind am Fußballspie-len
oder waren in der Stadt, und auf dem Rückweg fangen die an zu laufen und
laufen, ich komm nicht hinterher und die laufen weiter und lachen.
Th: Ja, sprech sie direkt an. Sag ihnen: Ihr lauft und ich komm nicht hinterher.
Kl: Ihr lauft und ich komm nicht hinterher. ... Die lassen mich stehen auf dem
Weg.
Ihr laßt mich stehen und lauft weg. Ich bin wütend. Dieses Gefühl
„ihr zwei“ und ich als das dritte Rad am Wagen.
Th: Laß die Wut mal dasein.
Kl: Das Herz ist so schwer. Ich stehe alleine und guck ihnen nach.
Th: Sag ihnen mal, was du dir gerne von ihnen wünschst.
Kl: Freundschaft. .... Eine andere Situation ... Jetzt bin ich auf dem Zimmer
von Tom, sitz an seinem Schreibtisch, da ist dieses Verstehnis. - Der Klient
atmet tief - Ah ... ich hab mich immer nur mit einem der beiden so gut verstanden
und wenn wir zu dritt waren, war ich immer außen vor. - er soll es ihnen
wieder direkt sagen - Ich war immer außen vor gewesen, wenn wir zu dritt
waren.
Th: Stell dich mal vor die beiden und schau ihnen in die Augen, wenn du mit
ihnen redest.
Kl: Ich war immer außen vor gewesen.
Th: Sag ihnen wie du dich fühlst damit.
Kl: Gekränkt, einsam, die zwei stehen zusammen. Ihr steht zusammen.
Th: Wo würdest du gerne stehen.
Kl: Im Kreis.
Th: Dann stell dich jetzt mal in den Kreis.
Kl: Ich komm nicht in den Kreis rein. Ich stehe immer noch davon weg. Die zwei
stehen da.
Th: Ok. Ich mach dir mal einen Vor-schlag. Du könntest dir jemanden zu
Hilfe rufen, einfach einen kleinen Helfer der dir zur Seite steht und dir ein
paar Tips ge-ben kann wie du das machen könntest. Dreh dich einfach mal
um und guck mal, wer da kommt. - Schritte werden eingespielt. - Guck mal, wer
jetzt da ist.
Kl: Der Vater von Tom ist gekommen.
Th: Ok., dann frag ihn mal, wie du es machen kannst, daß du mit in den
Kreis reinkommst.
Kl: Er sagt ich bräuchte den Kreis nicht.
Th: Ist das für dich ok?
Kl: Mmmmh ... Die anderen zwei sind jetzt weg. Ich fühl mich jetzt viel
leichter. Sie sind weg und ich bin jetzt in dem Zimmer bei dem Dr. Becker (Vater
von Tom) zu Hause in seinem Büro. Da stehen Stühle, Schreibtisch und
rechts an der Wand die Untersuchungsliege. Da liegen Unterlagen auf dem Tisch.
Er hat mir da was kopiert.
Th: Schau mal auf die Kopie, ob du was erkennen kannst, ob du was lesen kannst.
Kl: Fit für den Triathlon.
Th: Und, ist das was für dich?
Kl: Ja, da ist das Gefühl des Stolzes, so eine Perspektive. Ich geh nach
Hause und bin gewachsen, bin groß, hab was vor mir.
Th: Was ist mit dem Kreis, mit dem Tom und dem Walter.
Kl: Ich brauche ihn nicht mehr. Dafür brauche ich nur mich, da zähle
ich, da zählen die anderen nichts. Das kann ich alleine, dafür brauche
ich die anderen nicht. Das ist nicht wie beim Fußball, wo man jemanden
braucht zum spielen, wo man gegen andere kämpfen muß. Hier ist das
anders, ganz anders. Diese Zufriedenheit kommt dann in mir hoch. Zufriedenheit,
seinem Körper was zu geben. ... Jetzt sitze ich beim Robert auf der Terrasse
und ich erzähle ihm, wie gut ich mich fühle mit dem laufen.
Th: Ok. Dann zieh doch mal deine neuen Sportsachen und deine Turnschuhe an und
lauf mal.
Kl: Ja! ... Mein Knie tut weh. - er soll sein Knie direkt ansprechen - Knie,
ich spüre dich. Wo kommt der Schmerz her? Jetzt seh ich meine Turnschuhe.
Aber nicht die neuen, meine alten, meine ganz alten, die ich gar nicht mehr
habe.
Th: Ja, sprich die Turnschuhe mal an. Sag ihnen, sie sollen dir die Situation
zeigen, wo zum ersten Mal deine Knie-schmerzen aufgetaucht sind.
Kl: Dann bin ich auf der Loipe, so auf dem Rückweg. Da bin ich gelaufen
und dann mußte ich gehen, weil ich nicht weiterkonnte. Das ist diese Situation,
wo ich dann gesagt habe, wo ich laut zu mir gesagt habe „jetzt schaffst
du es noch nicht mal, diesen Berg hochzukommen“.
Th: Ja, sag den Satz nochmal.
Kl: Jetzt schaffst du es noch nicht mal diesen Berg hochzukommen.
Th: Was ist da noch mit drin in diesem Satz? Welche Gefühle?
Kl: Es nicht zu schaffen. So eine Nieder-geschlagenheit, nicht durchzukommen.
Th: Ja, erst hast du es nicht geschafft in den Kreis mit reinzukommen und jetzt
schaffst du es noch nicht mal den Berg da hochzukommen. Ist es sowas?
Kl: Ja, ja!
Th: Erst brauchst du keine anderen und jetzt schaffst du es alleine auch nicht.
Kl: Ja! Aber jetzt bin ich wieder am laufen, jetzt sehe ich mich selber laufen
und die schönen Erlebnisse.
Th: Und wann kommen immer die Knieschmerzen?
Kl: Wenn ich zweifle.
Th: An dir? - Klient bejaht und atmet ganz tief. - Guck mal, ob du diesen Satz
von früher kennst, daß du es nicht schaffst.
Kl: Da seh ich den R. vor mir, Lehrer auf der Realschule.
Th: Laß ihn mal da sein und geh mal in die Situation von damals. Guck
mal was passiert.
Kl: Ich habe eine eins geschrieben in Biologie. Der Lehrer dreht sich weg. Er
sagt immer zu mir „werden ja auch noch Straßenkehrer gebraucht“.
Th: Sprich ihn direkt an. Sag, er soll sich wieder zu dir drehen und dir in
die Augen schauen.
Kl: Dreh dich um und schau mir in die Augen.
Th: Und dann sag ihm das, was er immer zu dir sagt und wie du dich fühlst
damit.
Kl: Du hast immer zu mir gesagt „Es werden ja auch noch Straßenkehrer
gebraucht“. Das hat mich beleidigt. ... Jetzt lächelt er. - er soll
es ihm wieder direkt sagen. - Du lächelst.
Th: Guck mal, welchen Impuls du hast. Vielleicht würdest du gerne etwas
ma-chen, dich rächen sozusagen. Zum Bei-spiel könntest du ihn Kniebeugen
vor dir machen lassen, oder laß dir selber was einfallen.
Kl: Ich schubs ihn in die Ecke, ich schubs ihn einfach in die Ecke.
Th: Schubs ihn aber nicht zu weit von dir weg. - Wegschubsen würde bedeuten,
diesen Anteil wieder in den Schatten-bereich zu verdrängen. -
Kl: Der kann nicht weiter weg, der steht in der Ecke.
Th: Was machst du mit ihm?
Kl: Hhmm, mmmh, ich weiß nicht recht was ich mit ihm machen soll.
Th: Ich könnte dir was in die Hand geben, dann kannst du ihm mal so ein
bißchen auf die Füße klopfen, wenn du magst. - Der Klient zögert
- Du kannst es ja mal ausprobieren, wie es sich anfühlt. - Der Klient stimmt
zu und fängt langsam an, mit dem Schlagstock auf den Boden zu schlagen.
Kl: - Spricht ironisch - Ich haue ihm zwar nicht auf die Füße, aber
auf den Kopf.
Th: Sag ihm, wie du dich fühlst, und was er immer zu dir gesagt hat, laß
mal alles da sein, deine Gefühle.
Kl: Du blöder Hund. Wie kann man einem kleinen Jungen so was sagen. - schlägt
weiter mit dem Schlagstock.
Th: Ja komm, zeig’s ihm mal.
Kl: Nee, der ist es nicht wert.
Th: Dann sag’s ihm. Du bist es nicht wert, aber mach weiter.
Kl: Du bist es nicht wert. Ich steh da drüber. Ich bin nicht der kleine
Junge, der zu ihm aufguckt, sondern der ihm ebenbürtig ist. Deswegen ...
Th: Spür mal, was es mit dir gemacht hat, du bekommst laufend Knieschmer-zen,
sag ihm das. Willst du dein Leben lang mit Knieschmerzen rumlaufen? Du könntest
dich ja nochmal operieren lassen! - Klient verneint empört - Ja, dann sag’s
ihm. Niemand verlangt von dir, daß du drüberstehst. Guck mal, dieser
kleine hilflose Junge.
Kl: Dieser kleine hilflose Junge schaut ihm aber in die Augen, der ist nicht
mehr kleiner. - er soll es dem Lehrer direkt sagen. - Ich bin nicht kleiner.
Th: Dann guck mal, wie dein Lehrer jetzt darauf reagiert.
Kl: Der macht ein blödes Gesicht. - Du machst ein blödes Gesicht.
Th: Dann sag ihm mal, daß deine Knie-schmerzen von heute von damals kommen.
Kl: Meine Schmerzen kommen von damals.
Th: Wie reagiert er darauf?
Kl: Sieht ziemlich verdutzt aus.
Th: Frag ihn mal, ob er das gewollt hat.
Kl: Hast du das gewollt? Er schüttelt den Kopf.
Th: Ok, dann sag ihm er soll dich bei dir entschuldigen.
Kl: Entschuldige dich bei mir!
Th: Tut er’s. - Klient bejaht - Und er soll dir versprechen es nie wieder
zu ma-chen, nicht bei dir und bei keinem anderen.
Kl: Tu das nie wieder! Er verspricht es.
Th: Gut, dann setz dich mal wieder auf deinen Platz und laß ihn dir nochmal
die Arbeit oder den Test in Biologie zurückgeben.
Kl: Er sagt ich hätte das gut gemacht.
Th: Wie fühlt sich das an?
Kl: Gut, zufriedener.
Th: Fehlt noch was, ist es ok. so mit dem Lehrer für dich?
Kl: Ja. Jetzt sehe ich meine neuen Lauf-schuhe vor mir. Strahlend, schauen mich
an, weiß. Ich möchte sie anziehen und laufen. - er tut es, und der
Therapeut fordert ihn auf, in seinen Körper hinein zu spüren. - Ich
fühle mich locker. Frische Luft strömt durch die Lungen.
Th: Und spür mal in dein rechtes Knie.
Kl: Da ist noch so ein leichter Druck unter der Kniescheibe. Oohhhh, ich mag
nicht mehr!
Th: Dann geh nochmal an den Anfang zurück zu Tom und Walter, wo ihr in
dem Zimmer steht, geh nochmal in das Zimmer.
Kl: Die zwei lachen.
Th: Was ist das für ein Lachen? Mehr ein Anlachen oder Auslachen?
Kl: Mehr ein Anlachen. Sie stehen auch nicht mehr zusammen. Ihr steht nicht
mehr zusammen.
Th: Was hat sich verändert.
Kl: Die stehen im Raum und jeder für sich.
Th: Wie fühlst du dich in dem Raum?
Kl: Nicht mehr so schwer wie eben.
Th: Ok, sag den beiden jetzt auch, daß du dich anders fühlst.
Kl: Ich fühle mich jetzt besser. Ich spüre da mehr Akzeptanz.
Th: Ok. Willst du das für heute so stehen lassen.
- Klient bejaht und atmet tief durch. - Dann bleibe noch ein bißchen liegen.
Musik wird eingespielt.
- Atme dieses Gefühl ganz tief ein in deinen Körper und laß es sich dort ausbreiten.