Schuppenflechte (210) Tod und Ja
Die Klientin ist 44 Jahre alt, lebt seit ca. 10 Jahren allein. Sie
arbeitet erfolgreich als Abteilungsleiterin in ihrem Beruf in einem großen
Hotel. Vor kurzem verstarb ein jüngerer Bruder. Einige vage Selbstvor-würfe,
sich nicht genug um ihn gekümmert zu haben, riefen eine stark juckende
Hautirritation am Körper und eine Schup-penflechtenbildung auf der Kopfhaut
hervor. Ansonsten geht es ihr gut und sie hat keine Probleme. Sie ist außerdem
seit geraumer Zeit auf der Suche nach einer neuen Lebensaufgabe und macht nun
selbst 4 Sitzungen im Zuge der Grund-ausbildung zur Synergetik-Therapeutin.
In der ersten Sitzung begegnet die Klientin dem Tod, der ihr zeigt, dass sie
ihre Lebendigkeit und ihre Sehnsucht in den letzten Jahren völlig verleugnet,
ja sogar fast schon getötet hat, indem sie immer versuchte alles mit dem
Kopf zu steuern und zu kontrollieren.
In der zweiten Sitzung geht sie bewußt durch das Tor der Freiheit und
beschäftigt sich intensiv mit abgespaltenen Anteilen.
In der dritten Sitzung setzt sie sich mit ihren Eltern auseinander, geht in
einen heftigen Energieausdruck, d.h. sie spürt und lebt ihre Wut ganz offen
aus und kann den beiden erstmals tief vergeben.
In der vierten Sitzung schließlich klärt sie ihre bisherigen Beziehungen,
sowie ihr Verhältnis zum Vater. Zum Abschluß dieses 4-tägigen
Sitzungsblocks gibt es schließlich eine wunderschöne Hochzeit, bei
der sich alles in der Klientin verbindet, versöhnt und vereinigt.
Schon am zweiten Tag nach ihrer Heimkehr jucken die Flecken ihrer Haut nicht
mehr. Die Schuppenflechte auf dem Kopf ist bereits nach knapp einer Woche verschwunden,
und nach einer weiteren Woche sind alle Flecken der Haut abgeheilt und verschwunden.
Lediglich ein einziger marksgroßer Fleck hält sich noch weitere drei
Wochen, allerdings ohne zu jucken. Er scheint gerade so als Mahnung zu stehen,
um in den vorweihnachtlichen Streßsituationen kurz mal in sich zu gehen,
an ihre inneren Figuren zu denken, sich an den Tod, mit seinen in der ersten
Session dieses Vierer-Blocks gezeigten, düsteren Bildern zu erinnern.
Die Klientin befindet sich im Kellergang, von dem verschiedene Türen abzweigen.
Sie entscheidet sich für eine neue Tür, auf der aber keine Aufschrift
erscheint. Sie ist dennoch bereit, diese Tür zu öffnen. -Türknarren
wird eingespielt-
Th: Wie ist deine Wahrnehmung, was siehst du?
Kl: Erstmal, die Tür geht nach innen auf, die anderen Türen gingen
alle nach außen auf. Und drinnen ... da ist gar nichts, da ist nichts.
Th: Ok, geh mal rein und schau es dir mal an, das Nichts, und wie es sich anfühlt,
und was du wahrnimmst dabei.
Kl: Da ist ein normaler Betonfußboden, grau, wie halt so’n Kellerfußboden,
ein bißchen gerissen, staubige Wände und Spinnweben.
Th: Ja, das ist ja schon mal ne ganze Menge. Wie fühlst du dich denn, wenn
du das so wahrnimmst?
Kl: (etwas ratlos) Überflüssig. Ja, irgendwie neutral, würde
ich sagen.
Th: Sag’s dem Raum mal, teil es ihm mal mit, wie es dir geht, wenn du
das so siehst.
Kl: (räuspert sich) Also Raum, ich kann mir nicht vorstellen, was du mir
sagen willst. Ich fühl mich irgendwo hier fehl am Platze.
Th: Schau mal, wie er reagiert. Oder vielleicht zeigt er dir ja sogar, was er
symbolisiert oder wer da ist.
Kl: Es geht nur ein Licht an. Aber auch dann ist nicht mehr da.
Th: Sags ihm mal, das war zu wenig, jetzt passiert gar nichts Besonderes mehr,
oder so was.
Kl: Es ist zwar schön, daß du Licht gemacht hast, aber viel sagen
tut mir das nicht. Damit kann ich noch nichts anfangen. - Pause - Jetzt steht
da jemand.
Th: Ah ja, dann sprich ihn mal an.
Kl: Wer bist du denn? - Pause - Also, im Fasching sind wir noch nicht (schmunzelt).
Also der Typ ist gekleidet wie so’n Sensenmann.
Th: Sag’s ihm mal direkt, daß du ihn für einen Faschingsscherz
hälst.
Kl: Ich weiß nicht, wie ich dich ansprechen soll. Aber ich sag ja, im
Fasching sind wir noch nicht, und ich weiß auch nicht, was du hier von
mir willst. Vielleicht solltest du dich mal ein bißchen klarer ausdrücken.
Der macht nichts, der steht einfach nur da und guckt in meine Richtung und hat
seinen Hut tief in die Stirn gezogen.
Th: Geh mal näher ran und sag’s ihm mal, warum machst du nichts oder
sowas, warum bist du aufgetaucht. Was soll das?
Kl: Was willst du hier? Wenn du mir etwas sagen willst, dann drück dich
klar aus. -Pause - Er raschelt nur mit seinem Gewand. Also, also ein bißchen
mulmig ist mir schon, aber ...
Th: Sag’s ihm.
Kl: Du machst mich irgendwie schon ein bißchen nervös, aber auf der
anderen Seite könnte ich auch drüber lachen. Also was willst du?
Th: Wenn nicht, geh dichter, bis er reagiert. Er muß ja was machen.
Kl: Ich bin jetzt einen Schritt auf ihn zugegangen, und er geht ‘nen Schritt
zurück.
Th: Sag ihm, er soll stehen bleiben. Du willst jetzt wissen, was das soll oder
so. -Die Klientin weist ihn an, er soll stehen bleiben und fragt ihn noch einmal,
was er hier will.
Kl: Ok, reden tut er nicht mit mir, aber er hat mit ner Armbewegung da ‘ne
Sofaecke hingestellt. Hm, find ich toll (lacht)
Th: Kleiner Zauberer. Anscheinend will er mit dir reden, dann setzt euch doch
mal hin und schau mal, was er will.
Kl: Ich setz mich jetzt erst mal hier hin, obwohl, das ist ein Sofa mit einem
Lederbezug, der ist ziemlich kühl. Das ist nicht so angenehm.
Th: Kennst du das Sofa? Hat das eine Wirkung auf dich? - Klientin hatte schon
mal ein ähnliches blaues Ledersofa, aber es hat keine Wirkung.
Kl: Also, ich sitz jetzt auf dem Sofa und er hat sich auf einen Barhocker oder
so was, gesetzt, mitten im Raum, so ein Fuß abgestützt auf einer
Fußraste und den einen runter. Ja, was machen wir jetzt hier?
Th: Wie geht`s dir mit ihm? Spür mal in dich rein, kahler Betonfußboden,
da irgendwo so’n Licht, miese Stimmung, leer.
Kl: Also, da vorm Sofa liegt jetzt so ein Fußläufer.
Th: Ah ja, also ein bißchen gemütlich geworden, ein bißchen
vertraut. Ach, frag ihn doch mal, schau was du ihn fragen willst, da steht jetzt
der Sensenmann persönlich vor dir, da kann man die Gelegenheit mal nutzen,
schau mal, was du wissen willst. Scheint ja irgendwas mit dem Tod zu tun zu
haben. In welcher Form auch immer, frag ihn mal, was du fragen willst.
Kl: Ja, was für eine Bedeutung hast du für mich? - Pause - Du bist
blöd! (Die Klientin ist leicht beleidigt) Du starrst mich nur an! Damit
kann ich nichts anfangen!
Th: Macht er dich ärgerlich?
Kl: (verneint) Höchstens, ... ja, wie soll ich sagen, ... ein bißchen
bockig. - Die Klientin soll es ihm sagen. - Du machst mich ein bißchen
bockig, aber das bringt mich ja auch nicht weiter. Also, muß ich das irgendwie
... (sie seufzt, ist ratlos)
Th: Frag ihn doch mal, ob es das ist, was er bei dir erzeugen will, geht`s darum?
Kl: Bist du das, was du bei mir erzeugen willst, oder bist du ..., bist du überhaupt
der Sensenmann oder vielleicht doch nur ein verhinderter Faschingsscherz?...
Also er ist schon der Sensenmann und seine Augenlöcher, die glühen
wie Kohlen, wie Eierkohlen. - Der Therapeut fragt, ob sie vor ihm Angst hat.
Die Klientin verneint und sagt, es fühlt sich so an, als wolle er sie einladen.
Th: Ja, das klingt ja alles schon ein bißchen merkwürdig. Frag ihn
doch mal, ob das stimmt, ob er wegen dir gekommen ist, ob er dir was zeigen
will, ob er dich holen will. Ja, es könnte ja alles sein.
Kl: Also, bevor ich mich jetzt hier in Spekulationen verausgabe, möchte
ich jetzt von dir wissen, was du hier willst. Willst du mir irgend etwas zeigen
oder was sagen? Du bist doch nicht ohne Grund hier. Und wenn du nicht ohne Grund
hier bist, dann möchte ich jetzt den Grund wissen. - Pause - Er steht auf
und macht eine Geste, daß ich mitkommen soll. Jetzt fängt mein Herz
an, weh zu tun. Und in meine Kehle steigt auch was hoch, ... und ich weiß
nicht, ob ich mitgehen soll oder nicht. - Der Therapeut betont, daß es
wichtig zu sein scheint, daß er extra gekommen sei, um ihr etwas zu zeigen,
was immer es auch sein mag. Die Klientin seufzt tief. - Ok, wenn du schon nicht
mit mir redest, ah ..., ok, ich komme mit. ... Wir sind jetzt auf einer Lichtung.
- Die Klientin ist berührt und fängt zu weinen an.
Th: Ja, was passiert da?
Kl: (seufzt) Ja, er zeigt mir die Schönheit der Welt. Da ist ein wunderschöner
Son-nenuntergang. Ein riesiger Wasserfall, der kommt einfach so ... aus dem
Himmel, schöne Blumen, ‘ne ganz knorrige Eiche und wunderschöne
Musik. Geigenmusik, ein Saxophon ist auch dabei. Aber ich weiß nicht,
was das bedeuten soll (weint noch immer) Also, das berührt mich alles tief,
aber ich weiß nicht recht, ob es mich „schön” berührt,
oder ob es mich er-schreckt, weil, ich kenn den Grund nicht, den du mir damit
sagen willst. ... Ist es ein Abschied nehmen oder ... oder ein Neu-beginn? (weint
noch immer, atmet schwer) Also ein Neubeginn. Es ist ein Erinnern an ..., an
Zeiten, wo ich das alles schon gesehen hab. - Die Klientin schluckt schwer,
hält die Luft immer wieder an. Der Therapeut fordert die Klientin zwischendurch
immer wieder auf, zu atmen.
Th: Ja, laß doch die Margarete (Klientin) mal auftauchen, die das alles
gesehen hat. Schau mal, wie du ihr begegnest.
Kl: (atmet wieder ruhig) Das ist noch gar nicht so lange her. Vielleicht 3 Jahre.
Und die Margarete, die geht ..., die geht auf die Berge ... ganz allein, und
sie sucht sich Stellen aus, wo keine Touristen hinkommen. Sie sitzt unterm Baum,
guckt die Schäfchenwolken oder auch die Gewitter-wolken, sieht alle möglichen
Dinge darin. Die ist eins mit sich. - Sie soll es ihr sagen. - Ich sehe, daß
du eins mir dir bist. Sag mir, wo hast du das verloren, wann hast du das verloren?
Th: Wenn nicht, frag den Tod. Der weiß es, der hat dich dahin geführt.
(Die Klientin seufzt) Was passiert in der Zwischenzeit? (sie räuspert sich
und holt tief Luft)
Kl: Ich weiß immer noch nicht, wie ich dich ansprechen soll. Du hast mir
diese Bilder gezeigt. Diese Natur, diese pure Natur. Du hast Erinnerungen in
mir geweckt - warum? - Pause - Um mich wieder dahin zu führen, um mir zu
zeigen, wenn ich nicht aufpasse, stirbt noch mehr von mir , daß ich keine
Kompromisse eingehen soll.
Th: Oder laß dir zeigen, welche Kompro-misse du nicht eingehen sollst.
Kl: (weint) Ich weiß es schon, es hängt mit der Arbeit zusammen.
- Die Klientin soll mal eine Szene von selbst auftauchen lassen. Es taucht eine
Szene von einem Gespräch mit ihrem Direktor auf, in deren Verlauf sie unter
anderem eine Gehalts-erhöhung bekam. Danach war sie sich wieder unsicher,
ob sie richtig handeln wollte, oder ob sich ihre Pläne, ab Mitte des folgenden
Jahres das Haus zu verlassen, um in Ihrer neuen Richtung arbeiten zu können,
nicht auch mit einem Kompromiß, vorerst auf halbe Zeit zu gehen, ändern
ließen. Die Klientin scheint im Augenblick kopfgesteuert zu sein.
Th: Frag mal den Tod, diesen Sensen-mann, was er dazu meint. Weil, der ist ja
aufgetaucht in diesem Kontext. Vielleicht kann er was beisteuern. Frag ihn mal,
ich bin jetzt neugierig, was er dazu meint.
Kl: (tief Luft holend) Also, du dunkler Mann du, hängt das damit zusammen?
Diese Art von Kompromissen?... Nein, das ist es nicht! .... Das ist es überhaupt
nicht! - Also, welche Kompromisse soll ich nicht eingehen? ... Da ist das Zimmer
bei meinen Eltern. Das ist auf dem Boden, nicht auf dem Boden, aber halt oben
im Haus, (schluckt) und für den Fall, daß ich die Arbeit aufgegeben
habe, aber eben noch nicht meine Miete zahlen kann (mit dem neuen Beruf), könnte
ich da wieder einziehen. Und ich soll die Finger davon lassen. Zu Besuch ist
gut, aber nicht da wohnen, hm , ist das schon alles? Mehr hast du dazu nicht
zu sagen? (schluckt) -Auf die Frage des Therapeuten, wie er darauf reagiert,
bekommt die Klientin wieder die Natur vorgeführt. Sie vermutet, das sei
wohl etwas, was sie im Moment sehr stark vernachlässigt. - Jetzt sehe ich
mich im Spiegel, mit den ganzen Flecken auf der Haut, und der Spiegel steht
halt da mitten in der Natur und er zeigt mir halt ... du zeigst mir die Natur,
du zeigst mir diesen Spiegel. Heißt das, daß das mein Problem ist?
Hm also, das sieht ja wirklich lustig aus, wenn ein Totenschädel grinst.
Auf jeden Fall hat er mit dem Kopf genickt. Das wär ja relativ simpel.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß das ... - Der Thera-peut fordert
auf, es ihm direkt zu sagen. - Ja, also die Vorstellung, daß sowas simples
hinter meiner Tür ist, ist schon irgendwie unfaßbar. - Pause - Jetzt
ist gar keine Natur, jetzt sind nur Häuser, graue Häuser, überhaupt
nichts Grünes. Ich gehe durch irgendwelche Straßen mit hohen Häusern.
Kaum der Himmel ist zu sehen. Es ist grau und düster, grau, alles grau
in grau. Die Menschen sind grau, alles ist grau ... Ich bin grau. Jetzt gehe
ich um eine Ecke und da steht schon wieder dieser Spiegel und obwohl ich grau
bin, ist mein Körper voller Ausschlag.
Th: Ja, dann frag dich im Spiegel, dieses Spiegelbild, was es bedeutet.
Kl: (seufzt und schluckt) Du da im Spie-gel, was bedeutet das? Mein Spiegelbild
hält mir eine Topfpflanze hin, das ist das einzig Grüne in diesem
Bereich. Und es guckt mich ganz traurig an. Die Topfpflan-ze ist reichlich verkümmert,
und jetzt gibst du mir auch noch ‘ne Gießkanne (tiefes Luft holen),
und jetzt nehme ich diese Topfpflanze und diese Gießkanne, und du freust
dich. Und du hältst deine Hände..., also so`n Spiegel hab ich ja überhaupt
noch nicht gesehen wie dich. Da lebst du da total im Spiegel und läßt
deine Hände daraus gucken. Das ist wie ein Segen für die Pflanze (erstaunt),
so und jetzt wächst sie wieder, im Zeitraffer! - Die Klientin soll mal
fragen, was das symbolisch zu be-deuten hat, für was das steht. - Ich seh
jetzt eigentlich, das ist ein Farn, ein Zim-merfarn. Der war ganz klein und
mickrig und dann kamen diese Segenshände darüber und jetzt ist es
ein riesengroßer Topf, den ich gar nicht so tragen kann. und es ist der
Topf, mit dem Zimmerfarn, den ich meiner Freundin geschenkt hab, als ich nach
Afrika gegangen bin. Und der war wunderschön gewachsen, und jetzt steht
er bei meiner Freundin im Wohnzimmer und kümmert vor sich hin. Er ist noch
genau so groß, aber ..., aber er kümmert halt ... Ich bin jetzt bei
meiner Freundin im Wohnzimmer und stehe vor dem Farn mit der Gießkanne,
und da kommt Wasser raus mit ... (total erstaunt) mit Sternchen irgendwie, ja
wie in einem Zeichentrick-film, oder nee, Zeichentrickfilm nicht, wie so funkelnde
Diamanten dazwischen. Und das ist, als wenn ... als wenn der Farn das genau
aufsaugt und wieder im Zeitraffer grün wird. Und neue Blätter sich
ausrollen! Farn, was willst du mir zeigen? (schluckt)
Th: Ja, was kommt?
Kl: Es läuft alles darauf hinaus, daß ich die Natur total vernachlässigt
hab. Ich hab viel Zeit, aber ich nutze sie nicht richtig. Es ist so bequem,
nichts zu tun, weil es läuft ja immer irgendwie, und morgen ist ja auch
noch ein Tag. Ist das richtig? ... Genau das ist es.
Th: Wie findest du es, daß du es so wahrnimmst?
Kl: Ja also, das ist ein Wechselbad. Das alles spielt sich in der Brust ab.
Erst ..., ja erst Ratlosigkeit, dann Beklemmung, dann Erstaunen, und dann hab
ich die Pflanze gekriegt, wie so`n Klumpen direkt vor einer, ja Erkenntnis ist
vielleicht übertrieben, aber vor irgendeiner Gewißheit. Und jetzt,
ja, jetzt wird das halt frei und weiter. So`n bißchen ist da noch, aber
es tut nichts weh oder so, sondern nur ... aber ... (überrascht) was tu
ich hier in diesem Wohnzimmer? Wo ist meine Freun-din überhaupt, und was
hat die mit mir zu tun? Die war schon mal da, in der Probe-session, ganz kurz.
Katharina. - Der Therapeut läßt sie direkt selbst fragen, warum sie
aufgetaucht ist. Die Klientin reagiert erstaunt. - Ah, das gibt es doch nicht!
(tiefes Atmen) ... also, so richtig weiß ich auch nicht. Es kommt irgend
ein Aspekt von Schuld wieder, ein Aspekt von Neid, wobei, wir sind anscheinend
beide aufeinander neidisch.
Th: Frag sie mal, schau mal, ob sie mit dem Kopf schüttelt.
Kl: Ist das richtig? Ja, sie nickt mit dem Kopf. Worauf bist du neidisch bei
mir? Hm, ist sie nicht, sagt sie. Ok, aber irgendwie glaub ich dir nicht so
richtig. Also, was hat das Neidgefühl überhaupt mit uns zu tun? (sie
schluckt wieder) Es ist ..., du hast den Absprung schon so lange ge-schafft.
Ich hab dich auf den Weg ge-bracht und hänge selber fest.
Th: Ist dieser Sensenmann noch da? - Die Klientin verneint, er sei schon in
der Stadt nicht mehr dagewesen. Gerade so, als hätte er nur über die
Natur und Grün-pflanze zeigen wollen, wenn sie weiter in dieser tristen
Gegend bliebe und die Na-tur nicht mehr sähe und ignoriere, sich nicht
mehr mit ihr befasse, dann würde sie diesen Ausschlag und ähnliches
mehr bekommen. Die Stadt würde sie halt krank machen. Dennoch zweifelt
die Klientin, es sähe alles so unlogisch aus. Die Klientin soll nach dem
wichtigsten Aspekt fragen.
Kl: Ok, wer immer da mir jetzt antworten kann, Katharina oder die Pflanze oder
der Sensenmann oder der Spiegel, das Spiegelbild: ich spreche euch jetzt alle
an, wer immer mir antworten kann, bitte sag mir oder zeig mir, was der wichtigste
Aspekt ist, was ihr mir hier vermitteln wollt. Ich lauf anscheinend mit ‘nem
Brett vorm Kopf rum. - Pause - (schluckt) Ich sehe da jetzt überhaupt niemanden.
Ich höre auch niemanden, aber ich sehe, hm ja, wie so’n Osterei und
da sitze ich drin. ... Ich als Person, und fülle das auch relativ gut aus
und rund um mich sind ‘ne ganze Menge Leute??! Nee, Leute sind das nicht
... in Miniaturform irgendwelche Wesen. Und diese Wesen wollen alle in mich
rein, weil sie dazu gehören! Und das ist gerade so, daß ich sie nicht
alle reinlassen will. Und deswegen bin ich nicht ganz! - Die Klientin ist überrascht,
erstaunt. - Ok, aber ... - Pause - wen will ich nicht reinlassen? Stellt euch
doch mal auf. Die Leute, die ich reinlassen will, auf die rechte, die Leute,
die ich nicht reinlassen will, auf die linke. Hm, (sie schmunzelt überrascht)
die tun das sogar. Und wer seid ihr? - Pause - Da ist die Freiheit, hätt’
ich ja auch die Tür nehmen können (eine der Kellertüren hieß
„Freiheit”), da ist die Lebendigkeit. (erstaunt und ungläubig)
Die Lebendigkeit will ich nicht reinlassen?
Th: Schau sie dir doch mal an, wie sie ausschaut, was sie von dir will, was
sie dir sagen will, wo du dich ihr verweigerst.
Kl: Ich glaub, ich bin heut im Fasching. Die Lebendigkeit sieht aus wie so’n
Harlekin, mit lauter Glöckchen an der Mütze, an den Enden von den
Kleidungs-stücken. In welchem Bereich will ich dich nicht reinlassen? (Sie
fängt schwer an zu atmen, weint wieder) Ich laß niemanden an mich
ran. Ich steuere sogar Freund-schaften nur noch über den Verstand. (verzweifelt
weinend)
Th: Ist deshalb der Sensenmann da? Hat er auch diese Bedeutung?
Kl: Ja, (starke Verzweiflung) es wird alles so dunkel.
Th: Schau mal, welches Gefühl kommt dafür?
Kl: Ohnmacht, Hilflosigkeit und ‘ne totale Hitze, aber keine angenehme.
(Sie weint immer noch)
Th: Sprich doch mal mit diesen Gefühlen. Spür mal, ob du das schon
länger kennst, oder ob sie dir vertraut sind oder fremd sind. Sprich mit
ihnen.
Kl: (weint) Ihr seid mir alle so vertraut, (schluchzt) ich kenne euch. Aber
ich glaub, wenn ich euch schön auf die Seite packe, dann seid ihr nicht
mehr da, dann stört ihr nicht. (Die Klientin hustet, weint, seufzt und
kommt dann langsam zur Ruhe) Ich weiß nicht weiter ... Ich möcht
so gern auf Menschen zugehen und tu das auch, ... manchmal ..., aber ... - Sie
soll es dem Sensenmann sagen und den anderen und mal gucken, ob da irgendwer
ihr helfen kann, ihr einen Tipp geben kann. - Hey Leute, ihr wißt, daß
ich voller Widersprüche bin. Auf der einen Seite möchte ich, auf der
anderen Seite möchte ich nicht. Und warum nicht? Da ist die Angst vor Verletzung,
Angst vor Enttäu-schung und wenn ich nichts erwarte, dann hab ich auch
keinen Grund, enttäuscht zu sein. Oder unglücklich zu sein. (weint
wieder), aber auch keinen Grund euphorisch zu sein (schluchzt). Aber hinter
all dem steht ..., steht riesengroß die Partner-schaft, der ich ausweiche,
oder... (wie erkennend, spricht plötzlich klar und fest) ... überhaupt
nicht mehr zulasse, daß ich jemanden kennenlerne, und das zeigen sie mir,
... ziemlich treffsicher.
Th: Ist das seit 5 Jahren? Weil dieser Zeitraum vorhin schon mal auftauchte.
Kl: Ja, eigentlich schon länger, aber seit 5 Jahren, jetzt bin ich 44J.,
seit 5 Jahren ist es ziemlich gewiß, daß ich bewußt dagegen
steuere. Weil, da war das, daß ich angefangen habe, mit 38 eigentlich,
daß ich angefangen habe, mich damit auseinander zusetzen, um ganz bewußt
in die Wechseljahre zu kommen, daß endlich diese Sehnsucht aufhört.
Und mit 39 hab ich es geschafft gehabt. Mit 39 hab ich meine letzte Periode
gehabt. (Die Klientin ist wieder klar und beruhigt)
Th: Schau mal, was der Sensenmann dazu sagt. Laß ihn mal da sein.
Kl: Er ist da und nickt mit dem Kopf. (weint wieder)
Th: Ist er so was wie, du hast dich ein bißchen umgebracht, und dafür
steht er?
Kl: (weint verzweifelt) Ja!
Th: Und in Wirklichkeit ist die Sehnsucht noch ganz lebendig in dir nach allem
Lebendigen, - Die Klientin weint stark. -... Nach allem Schönen, was da
war.
Kl: Ja, aber es hat doch funktioniert!
Th: Dein Kopf war stark!
Kl: Ich hab mich seitdem nicht mehr verliebt! Einmal so ganz kurz noch, aber...
aber das hab ich schnell unter Kontrolle gehabt. Die Kontrolle steht da auch!
- Der Therapeut schlägt vor, sie solle sich von der Kontrolle mal ein Bild
zeigen lassen, sie auftauchen lassen. - Du bist riesen-groß, du bist größer
als alle anderen, du bist selbst größer als der Sensenmann. Aber
..., (mit fester Stimme) was willst du überhaupt von mir? Du kontrollierst
doch schon alles!
Th: Deine Sehnsucht nicht! Deine Sehn-sucht nicht, hol sie mal herbei. Schau
mal, wie die beiden auskommen miteinander. Da scheint noch was lebendig zu sein
in dir.
Kl: (tiefes Seufzen) Also, die Kontrolle, die sieht riesig groß aus, sehr
massiv. Irgendwie haben sie alle meine Züge, aber die ist breitschultrig.
Du bist breitschultrig und du hast einen ziemlich energischen Gesichtszug. Eine
tiefe Stirnfalte, düster blickend, bestimmend, sehr bodenständig,
mit Fäusten (Die Klientin holt Luft, sehr tief), massiv, massiv! ... Und
du, Sehnsucht, irgendwie wächst du, aber du bist durchscheinbar, durchsichtig,
zart besaitet, so als würde dich ein Windhauch umhauen, und trotzdem ist
da eine Zähigkeit, die sich nicht auflöst.
Th: Nicht tot zu kriegen....
Kl: ... nicht tot zu kriegen! Und dieses zarte Gesicht ... Meine Hände
fangen wieder an, die kribbeln wieder.
Th: Frag sie mal, was das bedeutet.
Kl: Hände, was bedeutet dieses Krib-beln? - Es ist ein Symptom, immer wenn
ihr kribbelt, dann bin ich am Punkt, und schon kribbeln sie mehr.
Th: Ist ja toll von den Händen, die wollen dir helfen, dir was zeigen.
Sie sind für dich da. Erlaub ihnen doch mal, zu tun und lassen, was sie
wollen, zu handeln. Frag sie mal, was sie gern machen möchten, deine Hände.
Überhaupt, erlaub ihnen mal, weil es ist ja auch ganz viel Kontrolle. -
Während der Therapeut die Vorschläge macht, fängt die Klientin
wieder zu weinen an. Sie weint so herzzerreißend, daß sie kaum noch
Luft bekommt. Nachdem sie sich nach geraumer Zeit langsam wieder beruhigt hat,
wird sie gefragt, was sie wahrnimmt jetzt, was passiert ist.
Kl: (spricht unsicher und stotternd) Da ist ..., da ist ..., also diese Sehnsucht,
ganz durchscheinend, und dann ..., dann ka-men da überall, überall
Hände, ganz kleine Hände, zarte Hände, aber auch große
und massive Hände, also ja, fleischige Hände, nicht so durchscheinend,
und alle ... (sie seufzt), alle ..., alle sind sie auf die Sehnsucht zu, nur
die Hände, und haben sie berührt, und (weint) jetzt sind die Farben
... (schluchzt), die Farben sind ..., sind zwar durchscheinend, aber ..., aber
eben farbiger. (weint) Und die ganzen Anteile, die da ..., die da so links und
rechts standen, die sind alle ..., alle mit so ausfahrbaren Händen und
berühren die Sehnsucht. (Die Klientin weint wieder sehr) Es ist gerade,
als fließe Energie rein. Bloß die Kontrolle, die ..., die steht
ein bißchen starr da, ... und ist ganz klein geworden.
Th: Ich wollte gerade sagen, berühr’ sie doch auch mal mit deinen
Händen. Vielleicht will sie ja auch angenommen werden. Berühr’
sie einfach mal, geh in Verbindung. - Die Klientin bekommt in einem Weinkrampf
kaum noch Luft. Später geht es in ein Wimmern und leises Weinen über.
Sie beruhigt sich nur langsam, fast mit Zwang.
Kl: Du stehst da und die Tränen laufen. Und ich weiß, daß ich,
daß ich dich immer verleugne. (Bricht wieder in verzweifeltes, fast hoffnungslos
erschütterndes Weinen aus.) Es ist ..., es ist so ..., die ist so zusammen
geschrumpft, und ..., und ..., und ich verleugne sie wirklich. Und dann ...,
(schluchzt) und dann ist die Sehnsucht mit diesen ganzen Händen auf sie
zu gegangen und hat sie in den Arm genommen.(Die Klientin weint bitterlich.)
Und jetzt ..., jetzt sind die Beiden ...., die sind zusammen, und ich weiß
gar nicht mehr, wer wer ist ... (weint noch immer sehr stark)
Th: Stell dich doch auch dazu, zu den beiden. Umarm sie, schau mal, ob das geht.
Kl: (verzweifelt) Das geht nicht. Das ist wie, als wenn die beiden jetzt eine
Einheit sind und ich außen vorstehe. - Der Thera-peut rät, ihnen
mal zu sagen, was sie jetzt wahrnimmt. - Ich hab das Gefühl, daß
ihr beide euch jetzt so gut versteht und ich nicht mehr dazu gehör.
Th: Spür mal, woher du das kennst, oder schau mal, was die beiden tun.
- Die Klientin stöhnt, daß sie kaum noch Luft kriegt. Sie soll es
den beiden sagen und tut es. - Laß dir mal zeigen von den beiden, was
da gerade läuft. Wenn du keine Luft mehr kriegst, dann ist da irgendwas
ganz Wichtiges.
Kl: Es ist ... der Neid! Ich bin neidisch auf euch, daß ich nicht dazu
gehöre. - Der Therapeut fragt, ob das ihr die Luft nimmt. - Ist das richtig?
Nimmt mir das die Luft? .... Nein, Sie schütteln den Kopf. Sie haben nur
noch einen Kopf, sie sind nur noch eine Person.
Th: Wie geht es dir jetzt, da du das im Abstand siehst?
Kl: Na ja, ich bin wieder ruhig innerlich. Meine Hände sind wieder kalt,
aber, ... es ist, als wenn ..., als wenn die sich jetzt alle solidarisiert haben,
und ich völlig leer davor stehe. Irgendwie, als wenn alle meine Anteile
draußen sind, und ich ...
Th: ... gehörst nicht dazu.
Kl: ... nur noch Körper!
Th: Die müssen dir was zeigen wollen. Du mußt das kennen. Frag doch
mal den Sensenmann, was sie dir zeigen wollen. Der hat dir die ganze Zeit so
schön geholfen. Der hat dir was Wichtiges gezeigt. Frag mal, was sie dir
zeigen wollen. Die reparieren sich, damit du das irgendwie wahrnimmst oder erkennst,
oder was auch immer. Welche Situation ist es?
Kl: Ich brauch gar nicht mehr zu fragen. Es ist, ich stell’ mich abseits
..., ich stell’ mich abseits und grenz mich ab. Ich bau einen Zaun.
Th: Ok, warum machst du das? Welche Erinnerung taucht auf? Was ist passiert,
daß du das machen mußt, daß deine Anteile weggehen von dir,
damit du alleine bist, ausgegrenzt?
Kl: (ihre Nase ist dicht, aber sie ist ruhig) Robert, es ist Robert. - Sie soll
beschreiben, wie er aussieht, was sie sieht, ihre Wahrnehmung. - Robert ist
jetzt aufgetaucht, er ist...
Th: Sag`s ihm, ich hör zu.
Kl: Du bist ..., Robert (seufzend), du bist die Liebe meines Lebens ... (seufzt)
es ist ... (tiefes Luft holen). Du bist die letzte Liebe meines Lebens, und
auch die größte. Was ich bei dir empfunden hab, hab ich vorher niemals
empfunden, obwohl ..., obwohl, wenn ich geliebt hab, war es immer größer
als vorher, ... mehr als vorher, ... einzigartiger. Aber du, bei dir hab ich
das erste Mal die Zeit der Verliebtheit, des Kennenlernens ganz total bewußt
aufgenommen, ... genossen. Und ich habe das erste Mal ganz bewußt mir
selber gesagt, ... genieß es, ... die Zeit vor dem ersten Kuß und
vor dem „ersten Mal”, die ist so schön, und doch geht sie kaputt
mit dem allerersten Kuß. (sehr tiefes Seufzen) Und dann, und dann die
Erkenntnis, daß du nur Freundschaft willst. (Die Klientin weint still
und leise) Warum hast du um mich geworben? Warum hast du mir gezeigt, daß
du mich liebst, ... mit jeder Geste? ... Und mir dann gesagt, dein Herz macht
nicht mit! (sie ist wieder verzweifelt) Warum hast du es so weit kommen lassen?
Du hast doch gesehen, was bei mir wächst, ... immer größer!
Warum hast du so lange gewartet, mir das zu sagen? - In ihrem verzweifeltem
Wei-nen stellt die Klientin selbst fest, daß sie nicht mehr weinen sollte,
nicht mehr wegen ihm. Sie ist resigniert. - Dieses Ge-fühl hat mich aufgezehrt.
Du wolltest, daß ich es kaputt mache! Du hast nicht akzeptiert, daß
Liebe nicht nur Nehmen ist, ... sie einfach da ist, ... sie schön ist,
daß es gut so ist, (sie schnieft) ... daß es total ok war. Aber
... dein Werben, daß es eben auch körperliche Sehnsucht entfacht.
Es ist doch normal, daß man sich dann danach sehnt, zusammen zu gehören.
(sie reagiert endlich empört) Und es ist ein Blödsinn, was du mir
da erzählst, ...von wegen, nur was man nicht kriegt, will man haben! Du
machst alles so klein! So niedrig! Nur weil du nicht empfinden kannst! Es ist
gerade so, als spielst du mit mir, treibst ... nicht nur mich, die anderen Frauen
auch ..., treibst alle dahin, daß sie sich in dich verlieben, und wenn
sie nicht leiden, treibst du es soweit, bis daß sie leiden. Und ich war
wohl für dich so richtig gut zum Experimentieren! Du hast alle Phasen ausgekostet!
Irgend-wie ..., normal kannst du nicht sein! Was für ein Spiel spielst
du mit mir? Jede Phase hast du durch probiert, aber nicht mal zu einem einzigen
Kuß ist es gekommen! Gerade so, als hälst du mir ‘nen Wurstzipfel
vor die Nase, und läßt mich schnuppern, und dann ziehst du ihn mir
wieder weg und hungerst mich aus! Und jetzt kriegst du Angst! ... Das ist komisch,
meine Nase, die juckt.
Th: Hmhm, frag sie doch mal, was sie sagen will.
Kl: Nase, was ist das für ein komisches Gefühl, was du mir da zeigst?
(Die Klientin lacht) Ich hab den richtigen Riecher.
Th: Ja, wie reagiert er jetzt darauf, auf die Vorhaltungen oder Feststellungen?
Kl: Ja, das ist ..., das ist komisch, es ist tatsächlich so gewesen, aber
ich hab das nie so wahr genommen. Du hast ..., du hast richtig, wie ... ja,
als wolltest du mich ..., mich als die Frau deines Lebens, hast du mich umworben.
Mit Aufmerksamkei-ten, mit Blicken, mit stundenlangen Ge-sprächen, mit
Zärtlichkeiten. Ha, es ist eigenartig, was ich als Zärtlichkeiten
bei dir empfunden hab. Nur eine Berührung, einen Arm um die Schulter legen,
die Hand ..., den Nasenstüpser, das ist eigentlich nicht das, was man normalerweise
unter Zärtlichkeiten versteht. Und dann ..., meine Reaktion hat dir nicht
ge-paßt. Anfangs hat sie dir gefallen. Toll, wieder ‘ne Frau, die
total auf dich abfährt! Aber doch ganz anders ... (sie seufzt) Und dann
kriegst du Angst, daß du womöglich bei einer tatsächlich die
Liebe aufgerührt hast! Der es egal ist, ob sie Erfüllung bekommt oder
nicht. Die dieses Gefühl nicht kaputt macht ..., die es zuläßt!
Das kannst du nicht ertragen! Und da fängst du an, mich zu sabotieren,
mir einreden zu wollen, daß ich wie ‘ne Schlange hypnotisiert von
dir bin, und dich nun besitzen will. Das ist es gar nicht! Lies mal das Gedicht,
was ich dir geschrieben hab, das ist zutreffend!
Th.: Vielleicht hat er Angst bekommen? Vor allem, vor seinen Gefühlen,
die hochkommen, frag ihn mal.
Kl: (holt wieder tief Luft) Hast du Angst vor deinen Gefühlen? Er darf
diese Gefühle nicht hochkommen lassen, weil, sonst muß er seine Vergangenheit
bearbeiten.
Th: Was repräsentiert er in dir? Weil, wenn er solche Aussagen macht, oder
dafür steht im Moment, wie ist das mit dir? Darfst du deine Gefühle
nicht hochkommen lassen? Hast du Angst davor?
Kl: Die Kontrolle!
Th: Die ist verschmolzen jetzt. - Die Klientin bejaht. - Mal gucken, was er
sagt.
Kl: Ja, wenn Gefühle zugelassen werden, hochkommen dürfen, die sind
auch mit Schwäche gekoppelt. Wer fühlt, öffnet sich, und wer
sich öffnet, ist verletzbar und wer verletzbar ist ... Was sagt mir die
Vergangenheit? Ja, das ist es. Und dennoch öffne ich mich fast immer ...
Bloß, intimen Begegnungen gegenüber nicht mehr, ... also wenn Freundschaften
zu intim werden , oder eben ... Partnerschaft, weil diese Art der Verletzbarkeit
ist wie ..., wie eine Aufforderung: hier kommt her, verletzt mich ruhig, ich
kann alles ertragen! Ich kann alles ab!
Th: Was ist passiert? (Die Klientin holt wieder tief Luft) Erzähl`s in
deiner Erin-nerung. Da muß was passiert sein zu dem, ... das du gebraucht
hast. Und das willst du nie mehr spüren! - Die Klientin erzählt, daß
sie von sich im normalen Leben sehr viel zeigt, dabei oft verletzt wird, aber
trotz momentaner Enttäu-schung dann, aufgrund ihres persönlichen Werdegangs,
viele Reaktionen versteht. Sie nimmt es dann nicht mehr persönlich, wenn
sie verletzt wurde und vergißt es schnell wieder.
Kl: Aber eben auf der intimen Seite, da mach ich dicht. Und auf der ..., ja
alles, was mit Partnerschaft zu tun hat, also nicht Partnerschaft in Freundschaft,
sondern eben tatsächlich Partnerschaft, da hab ich wohl eine Klappe runter
gemacht, und dieses ..., was wir da ... Das ist ja auch schon 2 Jahre her, wo
ich mal so ganz kurz so ein Verliebtheitsgefühl noch wieder gehabt hab,
das war ..., da war keine Chance auf ein Zusammenkom-men. - Der Therapeut wirft
ein, daß sie sich es vielleicht deshalb leisten konnte, was die Klientin
betätigt, wenn es ihr auch nicht so bewußt gewesen sei.
Th: Tja, bleibt immer noch die Frage, ob du das bis zu deinem Lebensende wieder
noch ausklammern willst, oder aber wieder zurück erobern willst. - Die
Klientin war bisher immer der Meinung, sie hätte mit diesem Thema längst
abgeschlossen. Der Therapeut lacht: Ja, hast du ja auch, abgeschlossen schon.
Es läßt sich wahrscheinlich auch ohne leben. Er erkärt ihr,
wenn sie sensibel und flexibel genug sei, würde sie nicht unbedingt krank,
ja, es ginge. Und verletzbar sei sie auch, noch nicht erstarrt. - ... Außer
so ein kleiner Kerl, der da ganz tief in dir da ist.
Kl: Naja, ich mein, ich hab in den letzten Wochen viel nachgedacht, damit, ...
mit diesen Stellen, die so gejuckt haben und es ist mir schon klar, daß
das mit meinem Bruder zusammenhängt. Weil, das ist, die erste Stelle hab
ich Anfang September gekriegt, und er ist im Juli gestorben. Und dann durch
diese Aufarbeitung oder bzw., also diese massiven Schuldgefühle, die ich
da hatte ihm gegenüber, weil ich nicht hingegangen bin, da ist ja was ausgebrochen.
Trotzdem weiß ich jetzt wieder vom Verstand her, wenn ich in Ordnung gewesen
wäre in den anderen Bereichen, dann wäre das nicht so zum Ausbruch
gekommen. Dann wär das eine Erfahrung gewesen, eine Erkenntnis, die ...,
die ich vielleicht irgendwie bearbeitet hätte, aber es wär nicht,
... also das Faß muß schon relativ voll gewesen sein. Na ja, zeigt
es ja eigentlich auch.
Th: Ja und das zeigt, daß du gerade wieder dabei bist, das alles aufzuarbeiten.
Weil, nicht umsonst reagiert die Haut ja, in dem Moment ist ja Kontakt. Das
ist ja aktuelles Thema, nicht abgepanzert, nicht weggedrückt.
Kl: Ja, ich weiß bloß nicht, in welche Richtung. Weil Partnerschaft
hängt wieder mit der Vaterfigur zusammen. Vaterfigur hängt wieder
mit Sexualität zusammen. Ich bin da irgendwie schlichtweg unbeholfen, wo
ich anfangen soll, wo ich ... - Der Therapeut erklärt, es sei ganz egal
und daß sie schon recht hätte. Alle unbearbeiteten Themen müßten
aufgelöst sein, um dann frei zu sein. - Wie auch immer, im Grunde hängen
sie alle miteinander, hm, miteinander verwoben. Es ist ein Thema.
Th: Ja, deshalb sag ich ja, es ist egal, wo du anfängst. Deshalb ist es
auch fast gefährlich! Wenn du anfängst, geht`s in die Richtung. Also,
wie stabilisierst du dich? Ja, man kann nicht ein bißchen Therapie machen.
Das geht halt nicht. -Die Klientin stellt fest, daß der Grund, mal in
diese und mal in jene Kammer zu gucken, doch ein bißchen Angst ist, was
da wieder alles rauskommt, wo sie doch eigentlich der Meinung war, alles längst
bearbeitet zu haben, alles weggesteckt. - Ja, hast du auch, ja, ... weggesteckt.
Ja, bearbeitet und weggesteckt! - Er erklärt ihr, daß das alles ja
auch notwendig war, sonst hätte sie es nicht alles gemanagt und überlebt
bis heute. Nüchtern betrachtet hieße es, daß sie jetzt hier
freiwillig liegt, zeigte, daß sie Lust auf Bearbeitung hätte. Andernfalls
wüßte sie ganz genau, in diese Richtung dürfe sie nicht, da
sei alles sensibel und instabil und nicht mehr so geordnet wie bisher. Die Klientin
philosophiert ein bißchen, sie hätte einen erfolgreichen Posten,
sie verdiene nicht schlecht, sie kann im Großen und Ganzen auf der Arbeit
tun oder lassen, was sie will, evt. sogar die nächsten Jahrzehnte... Sie
wüßte auch nicht, warum sie eigentlich nicht zufrieden ist, und was
sie eigentlich überhaupt will, um dann doch festzustellen, wenn alles so
bliebe, könne sie genausogut tot sein. Der Therapeut stellt dennoch fest,
daß sie schon rundum im Gleichgewicht sei.
Kl: Ja, es plätschert alles so daher.
Th: (lacht) Wenn du so anspruchsvoll bist und willst wieder einen Sturzbach
von Gefühlen erleben!
Kl: - verneint dieses, und sagt - ... sondern, ja, es ist schon richtig, die
Lebendigkeit fehlt! Und das ist mir nicht erst bewußt, seitdem ich hierher
komme, oder mich jetzt damit befasse.
Th: Ist mir schon klar, sonst würde der Sensenmann von dir nicht als Faschings-figur
interpretiert werden. Du bist da so an einer Grenze. Ist es ernst, dann ist
es dramatisch, aber es könnte ja auch eine Faschingsfigur sein ...
- Die Klientin erzählt, was sie seit geraumer Zeit alles anstellt, um
wieder zu einer Lebendigkeit zu kommen, da sie selbst schon erkannt hatte, daß
sie sich viel zu sehr abgekapselt hatte, und schon für ein bißchen
„eigentümlich” von anderen Leuten eingestuft wurde.
Nachdem noch ein bißchen hin- und her geredet wurde, entschied sie
sich doch, mit ihren Anteilen eine Vereinbarung zu treffen, sich in der nächsten
Session wieder zu treffen. Diese Anteile tauchen in ihren Bildern als eigenständige
Personen auf, die sich durch Wachsen, Schrumpfen, Hüpfen, Farbe oder Grausein
bemerkbar machen. Sie erscheinen während dieser und der folgenden drei
Sessions in immer der gleichen Weise, um sich bemerkbar zu machen.