Erstsitzung – Brustkrebs links (325)
Die Klientin leidet unter Brustkrebs auf der linken Seite. Bei dieser Sitzung handelt es sich um eine Probesitzung. Sehr schnell werden die markanten Themen in der Innenwelt deutlich - Die schwierige Beziehung zum Vater in der Kindheit - seine Gewaltätigkeit, immer nur Pflicht und Leistung anstatt Spiel und Freude. Dann das Minderwertigkeitsgefühl der Klientin, nicht zu genügen. Im späteren Leben immer wieder Beziehungsproble-me. Die Klientin lebt seit 20 Jahren alleine und berichtet erleichtert, dass das Thema Frausein für sie erledigt sei. Besonders emotionsgeladen ist auch die Beziehung zur Mutter. In den letzten 4 Jahren war das Verhältnis Mutter-Kind zwischen den beiden aufgrund der Krankheit der Mutter völlig umgedreht. Erst seit der Krebserkrankung darf die Klientin wieder das Kind sein - erzählt sie unter Tränen und tief berührt. Die Klientin hat in dieser Erstsitzung noch große Probleme, sich auf die innere Konfrontation einzulassen. Sie bleibt die meiste Zeit in der linken Gehirnhälfte und vermeidet weitgehendst die laute Ansprache der inneren Bilder. So bleibt der Prozess zunächst noch auf der Oberfläche und für sie kontrollierbar. Am Ende der Sitzung trifft sie dann allerdings eine innere Vereinbarung für weitere Sitzungen...
Die Klientin spricht durchgehend leise, stockend, mit langen Pausen.
Kl.: Ich bin mal kurz weggenickt.
Th.: Das macht nichts. Du bist ja jetzt da. Jetzt bist du hinab gestiegen in
deinen Keller. Beschreib doch mal, was du dort wahrnehmen kannst.
Kl.: Ich sehe jetzt so einen Gang mit Teppichboden und Holzgeländer, das
runter geht. So mehr im bayrischen Stil. Da sind auf jeder Seite vier Türen.
Und der Gang ist irgendwie zu Ende.
Th.: Ja, dann spür mal, wenn du die vier Türen da jetzt so siehst.
Welche zieht dich an? Wo würdest du zuerst gerne mal reinschauen?
Kl.: In die erste links.
Th.: Ja, erste links, dann gehe doch mal auf diese Tür zu und beschreibe
sie mir noch mal. Wie sieht sie aus?
Kl.: Aus Holz. So ein bisschen bayrisch angehaucht, aber nicht Bauernstil.
Th.: Hat sie auch eine Klinke? Dann spür mal, wenn das was sich dahinter
verbirgt, an Themen, an Phantasien, wenn das ein Begriff wäre, ein Wort
wäre, welches Wort steht auf der Tür? Das erste, was von selbst kommt,
jetzt.
Kl.: Chaos.
Th.: Chaos. Okay, ja, dann spür mal, ob du auch bereit bist, in die Tür,
auf der Chaos steht, auch hineinzugehen? Zu schauen, was dich dort erwartet.
Kl.: Ja. – Räuspert sich. –
Th.: Okay. Dann nimm doch mal die Klinke in die Hand und öffne die Tür
einmal jetzt. – Die Klientin bejaht. Türknarr-en wird eingespielt.
Kl.: Da ist mein Schreibtisch. Ich spüre den Gedanken, den ich die ganzen
letzten Monate hatte. Wenn ich das Krebs-geschwür auf meinem Schreibtisch
be-siege, dann besiege ich meinen Krebs. Ich hab’s nicht besiegt. Stapel
von Unerledigtem. Ich habe noch nicht mal die Kontoauszüge alle abgelegt.
Semi-narunterlagen, Rechnungen. Briefe nicht beantwortet. Ich finde die Dinge
nicht. Ich weiss nicht, was ich zugesagt habe, den Leuten. Nicht einmal die
Anamnese von meiner Krankheit ist weitergeschrieben worden. Ist auch nicht so
ganz sauber, der Schreibtisch. Kleine Fliegen, die nachts vom Licht reinkommen,
liegen rum. Ich muss den Handstaubsauger nehmen und die wegsaugen. So arbeite
ich schon die ganzen Jahre. Immer ist irgendwas übrig geblieben, nicht
fertig geworden. Und immer wollte ich es bewältigen. Habe mich immer schuldig
und schlecht gefühlt, weil ich es nicht geschafft habe. Die Momente, wo
mein Schreibtisch aufgeräumt war, waren ganz selten. Wenn Klienten kamen
zur Besprechung, dann musste ich alles in ein anderes Zimmer tragen, damit sie
es nicht gesehen haben. Und dann habe ich es wieder rüber getragen. –
Räuspern. –
Th.: Spür mal, wie geht’s dir damit, wenn du das jetzt so wahrnimmst?
Kl.: Miserabel.
Th.: Schau mal, ob du dem Schreibtisch das vielleicht mal sagen möchtest.
Mit deinen Worten. Du, Schreibtisch, wenn ich dich so anschaue mit deinen...
Kl.: Das ist doch nicht der Schreibtisch, das bin doch ich.
Th.: Dann sag ihm das auch.
Kl.: Der kann gar nix dafür. Schöner Schreibtisch. Hat mein Bruder
gebaut.
Th.: Sag ihm das mal, du bist ein schöner Schreibtisch.
Kl.: Schöner Schreibtisch. Hat mein Bruder gebaut, ganz toll, perfekt.
Den besten Computer drauf, der auch nicht ganz richtig läuft, zur Zeit.
Mir wird jetzt wahnsinnig heiss.
Th.: Ja, lass es da sein.
Kl.: Ich weiss auch gar nicht, wo ich anfangen soll. Oft wenn ich, ich habe
ja so wenig Zeit gehabt. Oft, wenn ich nach Hause kam, dann habe ich eher in
der Küche noch was aufgeräumt. Irgendwas gemacht, aber nicht den Schreibtisch.
Nur immer das, was aktuell gerade nötig war. Seit Monaten. Und vorher auch
schon. Aber so schlimm wie jetzt war’s noch niemals.
Th.: Wenn du dich so auch umschaust im Raum, wie sieht der Raum aus? Steht da
jetzt nur der Schreibtisch drin?
Kl.: Das ist genau mein Büro zu Hause.
Th.: Ja. Magst du es mal beschreiben? So die Wände, die Fenster?
Kl.: Weisse Wände. Vorne am Fenster rum die Terassentür. Halogenbeleuch-tung.
Links ein riesiges Regal. Alles in Weiss. Weisse Ordner. Der Schreibtisch ist
riesengross. Ist eine dicke Platte in Weiss, die um die Ecke geht, rechts steht
der Computer und der Drucker. Links ein Aktenkorb auf dem Schreibtisch. Gegenüber
eine Kommode mit dem Kopierer. Rechts vorne ein Regal, Fax. Und die eine Ecke
mit den Papierrollen, die sieht jetzt besser aus, die habe ich mal aufgeräumt.
Lauter leere Schachteln, die ich immer aufhebe und stapele mitten im Büro.
Was auch so blöd aussieht. Brauch sie doch immer mal, um Bücher zu
verschicken. Und rechts, wenn man reingeht, ist ein Glastisch mit drei Stühlen.
Schwarzen Korbstühlen Außen rum. An der vierten Seite sitze ich mit
meinem weissen Bürostuhl. Der Teppichboden ist türkisfarben mit Flecken.
Th.: Spür mal, wo bist du jetzt? Sitzt du auf deinem Stuhl oder stehst
du im Raum?
Kl.: Ich weiss nicht. Ich glaub, ich schau nur rein. Eigentlich schau ich schon
nach der nächsten Tür, da sitzt meine Mutter drin.
Th.: Ja, spür mal, hast du das Gefühl, dass du da jetzt noch etwas,
noch etwas für dich zu erfahren gibt? Sonst sag dem Raum vielleicht, ich
komme später noch mal, aber ich spür so, mich zieht es so, in den
nächsten Raum zu schauen.
Kl.: Also, ich habe für diese Büro die Lösung gerade nicht. –
Die Therapeutin fordert zur direkten Kommunikation auf. – Also keine Lösung
im Moment.
Th.: Und du kannst den Raum auch fragen, hat er dir noch was zu zeigen für
jetzt? Hat er dir noch was mitzuteilen? – Die Klientin bejaht. –
Du bist ja gekommen, um von ihm was zu erfahren.
Kl.: Er will mir sagen, es ist lösbar.
Th.: Könnte er dir da jetzt schon mal einen Tipp geben, irgendwas erzählen
oder zeigen, jetzt? Spür wie dein Impuls ist, jetzt.
Kl.: Erst war er dunkler, jetzt wird er heller. Ich seh ihn plötzlich ganz
aufgeräumt. Die Ordner. Blumen auf dem Schreibtisch. Ich hab immer eine
Rose dort stehen. Alles abgelegt. Ich weiss nicht, was ich mit den grossen Seminar-koffern
mache, ich kann sie ja nicht mehr tragen.
Th.: Frag‘ sie mal. Was habt ihr denn für eine Bedeutung für
mich, oder sowas?
Kl.: Keine Lösung. Nachbarn sind nicht immer da. Beim letzten Seminar habe
ich mich abholen lassen und sie rausbringen. Das geht nicht immer. Find ich
irgendwie ärgerlich.
Th.: Ja, lass es da sein.
Kl.: Ich werde deshalb ärgerlich, weil ich so viel gearbeitet habe. Mein
ganzes Leben so geschuftet. Und jetzt, wo ich alles erreicht habe, kann ich
es nicht mehr so machen.
Th.: Ja, lass alles da sein. Und sag es auch dem Raum.
Kl.: Jetzt steht in Frage, ob ich das alles weiter finanzieren kann. Das macht
mir natürlich auch Angst.
Th.: Ja, lass die Angst auch da sein.
Kl.: Die Unsicherheit. Bei jedem Termin, den ich mache, muss ich überlegen,
ob ich ihn halten kann. Manchmal lüge ich. Ich muss meine Klienten anlügen,
ich kann nicht sagen, was mit mir ist. Ich habe so viele Termine absagen müssen.
Bei Leuten, mit denen ich seit 12 – 15 Jahren arbeite. Manchmal denke
ich, ob sie mich jetzt abgeschrieben haben? Aber es wäre ungerecht. Die
haben alle sehr zu mir gehalten, bis jetzt.
Th.: Lass sie doch mal da sein, die Leute mit denen du schon so lange zusammen
bist und frag sie doch einfach mal.
Kl.: Die waren alle wunderbar. – Die Therapeutin fordert zur direkten
Kom-munikation auf. - Ihr wart alle wunderbar. Keiner hat mich so wirklich fallen
gelassen. Aber wenn das zu lange dauert, dann können die doch nicht anders.
– Therapeutin fordert wieder zur direkten Kommunikation auf. – Bis
jetzt hat mich keiner fallen gelassen. Aber all zu lange darf es nicht mehr
dauern. Das haben sie schon gesagt.
Th.: Wieviel Zeit geben sie dir?
Kl.: So direkt können sie das nicht sagen.
Th.: Spür mal wie das für dich ist.
Kl.: Ich verstehe sie.
Th.: Das kannst du ihnen auch sagen, ich verstehe euch.
Kl.: Ich verstehe euch. Ich kann das gar nicht erwarten, dass sie noch länger
Geduld haben. Die haben ja auch ihre Verpflichtungen, dass ihre Bildungspro-gramme
laufen. Dass die Firmen laufen, dass die Leute ausgebildet werden. Gibt ja auch
noch andere gute Trainer. Ich weiss, dass das alles für meine Existenz-ängste
steht.
Th.: Dann lass die sich doch auch vielleicht mal zeigen. Guck mal, ob du sie
körperlich wahrnehmen kannst, oder dass sie sich mal zeigen, als Symbol,
als Gestalt und schau mal, wie die aussehen, deine Existenzängste.
Kl.: Körperlich wahrnehmen kann ich sie, in dem in meinem Bauch einfach
Aufruhr ist.
Th.: Lass es da sein. Guck doch mal, was da in dem Bauch los ist.
Kl.: - atmet mehrfach tief – Personifizie-ren kann ich sie nicht. Das
wäre jetzt künstlich, wenn ich das täte.
Th.: Ist okay, lass einfach da sein, was da ist.
Kl.: Ich habe so das Gefühl, wenn ich meine Energie hoch halten kann, dann
kann mir nichts passieren. Und das war bis jetzt immer der Fall. Was habe ich
getan, dass der Schreibtisch schön und ordentlich war? Was habe ich da
ge-macht, dass es so schön und ordentlich wurde?
Th.: Ja, schau, was er dir sagt, oder was er dir zeigt. Nimm was als erstes
kommt.
Kl.: Das erste ist jetzt, dass der Tumor weggegangen ist. Da war auch der Schreibtisch
schön. Ich weiss aber nicht, woher es kommt.
Th.: Und du kannst auch Fragen stellen. Dem Tumor oder dem Schreibtisch. Wie
ist da der Zusammenhang? Was heisst das? Wenn der Tumor weg ist, ist der Schreibtisch
schön? Was heisst das übertragen auf dein Leben? Auf Dich? So mit
deinen Worten.
Kl.: Ja, was hat das miteinander zu tun? Sicher das allgemeine Chaos. Ich gelte
für alle Menschen, die mich kennen als hochorganisiert, hochstrukturiert.
Was ich irgendwo auch bin, aber nicht total. Ich glaube, dass das einfach so
ist, dass ich zuviel gemacht habe. Und ich glaube der Grund, warum ich es nicht
weggekriegt habe, war einfach, dass die Arbeitsmenge viel grösser war als
die Zeitmenge. Ich muss also Zeit schaffen.
Th.: Frag mal den Schreibtisch, ob es das ist oder schau, wen du fragen kannst.
Gibt es irgendeinen Berater für dich in deiner Innenwelt? Oder lass mal
deinen Krebs, deinen Tumor sich zeigen, als Gestalt. Oder spür‘,
was von selbst kommt, jetzt, dass du Informationen bekommst.
Kl.: Ich kann’s nicht. Ich kann’s nicht personifizieren. Ich kann
auch nicht mit dem Schreibtisch sprechen. Weder der Schreibtisch noch irgend
jemand. Es ist, ich bin es schon selber. Ich habe das alles angerichtet. Ist
sonst niemand schuld.
Th.: Der Schreibtisch ist ja auch nur das Symbolbild, von dir, der Schreibtisch
gehört halt zu dir, und ist halt ein Anteil auch in deiner Innenwelt. Und
die sind für dich da, deswegen kannst du mit all denen auch reden und Informationen
halt bekommen. Wenn du das möchtest. Sind eh immer alle halt ein Anteil
von dir, alle verschiedenste Qualitäten.
Kl.: Jetzt wird mein Büro plötzlich riesengross. Die Antwort ist Zeit,
Entspannung, Ruhe. Niemand will mehr was von mir. Auch wenn ich zurück
komme, habe ich nur ein Seminar zwischen den beiden Zyklen. Das ist schon vorbereitet.
Ich sehe es jetzt schon heiter, sonnig, gross und aufgeräumt.
Th.: Wie geht’s dir jetzt so damit, wenn du das jetzt so siehst?
Kl.: Das ist angenehm, auch wenn ich jetzt nicht gesehen habe, wie das passiert
ist.
Th.: Dann guck, ob du den Raum noch fragen willst? Oder das jetzt erst mal so
wahrnimmst? Sagst, ich schau mal weiter. Und wir können ja auch später
noch mal in den Raum zurück gehen.
Kl.: Ich kann nicht den Raum fragen, ich muss mich fragen. Ich muss es ja tun.
Th.: Gut, dann frag dich mal. Oder du kannst dich auch vor dich hinstellen und
die Lena mal ansprechen. Lena, erzähl mal, wie hast du das jetzt gemacht?
So mit deinen Worten. So wie es geht. Und schau mal, ob du laut sprechen kannst,
weil das ist das, es geht genau darum, mal nicht zu überlegen, was es sein
könnte, sondern einfach mal etwas gesagt zu bekommen. Spür mal, ob’s
geht.
Kl.: - atmet mehrfach tief. – Ich habe meine Prioritätenliste geführt.
Da habe ich mich ganz konkret dran gehalten. Ich habe so ein schönes Prioritätensystem,
das ich allen Menschen lerne. Wenn ich gut drauf bin, mache ich es, wenn ich
schlecht drauf bin, mache ich es nicht. Jetzt habe ich es überhaupt nicht
mehr gemacht. Das ist genau für den Fall konstruiert, wenn die Arbeitsmenge
grösser ist als die Zeitmenge.
Th.: Spür mal, was es ist, dass es dann nicht funktioniert. Es ist genau
für den Fall gedacht, und dann funktioniert es jetzt nicht. Spür mal,
was fehlt dir da? Welche Qualität oder was steckt dahinter? Nimm mal das
erste, was jetzt kommt.
Kl.: Disziplin. Dabei denken alle, ich bin ein Ausbund an Disziplin. Das bin
ich auch, meistens. Ich glaube eher, dass ich in meinem ganzen Leben viel zu
diszipliniert war.
Th.: Spür mal, wann hast du angefangen mit der Disziplin?
Kl.: Immer schon, schon als Kind.
Th.: Sei mal dort jetzt. Schau mal, welche Situation sich dir zeigt, jetzt.
Kl.: Ich habe einer Schulkameradin Schränke gezeigt, wie ordentlich bei
uns aufgeräumt ist. Wir waren eine damals finanziell arme Familie, Durchschnitts-familie
und sie war aus sehr reichem Hause. Blöd war das. Das war diese Minderwertigkeitsproblematik,
mit der ich als Zehnjährige gekämpft habe. Auch mit, ich weiss das
Vaterproblem von mir. Ich hatte einen gewalttätigen Vater. Ich habe mich
richtig geschämt für den. Aber eigentlich im Kopf ganz gut aufgearbeitet.
Als ich jetzt bei meiner, einer Heilerin in New York war, hat sie mir gesagt,
ich soll ihm einen verzeihenden Brief schreiben. Und das habe ich getan. Und
der ist sehr schön geworden.
Th.: Lass doch mal deinen Vater da sein, jetzt, oder das Bild von deinem Vater.
Und schau mal, wie er auf dich wirkt, jetzt. Beschreib mal, was du wahrnehmen
kannst.
Kl.: Jetzt kann ich nix wahrnehmen. Nur so, wie er früher war. Auf den
guten Seiten. Ich nehme ihn heute nicht mehr so ernst.
Th.: Schau mal, ob du ihm das sagen kannst - ich nehm dich gar nicht mehr so
ernst. Guck mal, ob es geht. Nimm ihn einfach so wahr, wie er ist, jetzt. Jetzt
nimmst du ihn nicht mehr so ernst.
Kl.: Ja, da war so ein Gedicht. Das hat er mit ins Poesiealbum geschrieben.
Und jetzt meine ganze Krankheitsgeschichte, habe ich eine Klientin, die mich
finanziert und sponsort. Ja, eigentlich muss ich das ja alles selbst bezahlen,
da in der Klinik. Weil da so ein Zyklus kommt um die 15.000 Mark. Und, ähm,
die hatte auch das Gedicht. Es geht so ähnlich: Ich schlief und träumte,
mein Leben war Freude, ich erwachte und sah, mein Leben war Pflicht. Ich trage
meine Pflicht und siehe da, mein Leben war Freude. So ähnlich geht das.
Das hat mein Vater mir ins Poesiealbum geschrieben. Er hat ja nie, nie seine
Pflicht getan. Das war fies. – Therapeutin fordert zur direkten Kommunikation
auf. – Er ist der allerletzte der sich das erlauben konnte und mir sein
Kind, das unter ihm zu leiden hatte, das ins Poesiealbum geschrieben.
Th.: Schau mal, es wäre toll, wenn du ihm das jetzt sagen könntest.
Dass er das mal hört. Zumindest in deiner Innenwelt.
Kl.: Das habe ich ihm schon gesagt.
Th.: Mach’s mal jetzt. Laut.
Kl.: Ausgerechnet du, ja! Aber ich habe ihm gewünscht, habe ihm gewünscht,
- Therapeutin fordert wieder zur direkten Kommunikation auf. – Ich habe
dir gewünscht, dass du in dem Leben, wo du jetzt bist, der gute Mensch
sein kannst, der du in diesem Leben gern gewesen wärst. Ja, ich habe ihm
echt verziehen. Geht ja nicht anders. Und zwar nicht so, dass ich ihm alles
vergebe und vergesse, ich kann ihn nicht lieben. - Therapeutin fordert wieder
zur direkten Kommunikation auf. - Es ist nicht meine Aufgabe ihn zu richten.
Da bist du jetzt in einer anderen Instanz.
Th.: Schau mal, wie er reagiert, wenn du ihm das jetzt so ehrlich sagst. Seine
Augen, sein Gesicht.
Kl.: Schwer zu sagen. Jetzt hat er ge-sagt, dass es ihm leid tut. Weil da einfach
keine Bedeutung mehr ist, einfach nicht mehr wichtig ist. Bin jetzt selbst verantwortlich.
Th.: Ja, das stimmt. Und trotzdem ist es toll, in seiner Innenwelt einfach Vater
und Mutter zu haben, die für einen da sind, die dir Energie geben.
Kl.: Ja, ich habe schon gemerkt, als ich jetzt krank wurde, also, so eben, jetzt
ist die Gelegenheit etwas für mich zu tun. In der anderen Welt, dann strenge
dich mal an, dann kannst was gut machen. - Therapeutin fordert wieder zur direkten
Kommunikation auf. – Du sollst das wieder gut machen. Vor allem auch,
was du meinem Bruder angetan hast, dem hast du viel mehr angetan als mir. Streng
dich jetzt an und schick mir die Energie. Lass mich nicht dafür büßen,
was du angerichtet hast. Dafür mußst schon selbst die Verantwortung
übernehmen. Ich will nicht deine Schulden bezahlen. Ich denke jetzt plötzlich
dauernd, dass das Tonband mitläuft.
Th.: Ja, was macht das mit dir? Soll ich es aus machen? Das ist eh für
dich. Du kriegst es für dich und wenn du das andere nicht magst, dann können
wir es auch löschen.
Kl.: Ich will es nicht haben.
Th.: Spür was für dich wichtig ist, was gut ist für dich.
Kl.: Die Konfrontation macht mich nicht fröhlich. Dabei ist das ein wirklich
oft bearbeitetes Thema und für mich erledigt.
Th.: Ja, nur du siehst auch darin jetzt, was es mit dir macht und das ist dein
optimaler Zustand jetzt. Und es zeigt einfach nur, macht das sichtbar, was da
ist.
Kl.: - bejaht – Aber gut, es ist nicht mehr mein Vater. - Therapeutin
fordert wieder zur direkten Kommunikation auf. – Es ist mein unwiderrufliches
Schicksal, ich habe ja auch die guten Eigenschaften von ihm geerbt. Auch wenn
da nicht viele waren. Das stand auch in meinem Brief, dass ich ihm dafür
danke.
Th.: Und du hast auch das Recht, zumindest in deiner Innenwelt zu sagen, da
ist auch viel daneben gelaufen. Das finde ich Scheisse. Das macht mich noch
heute, macht es mich nicht fröhlich. So mit deinen Worten.
Kl.: Das hat mit ihm zu tun. Mit meiner Kindheit, dass ich an nicht viel Freude
denke. - Therapeutin fordert wieder zur direkten Kommunikation auf. –
Dass ich keine schöne Kindheit hatte. Auch die Ferien bei der Oma, das
war ja nicht schön. Da war ich halt dann so, ja, Familie, aber, dass mich
das besonders aufgebaut hätte oder so, dass das ganz toll gewesen wäre,
so war es ja nicht. Obwohl die Oma sehr, sehr lieb war. Die ganze Schulzeit,
alle Ferien immer bei der Oma. Die war sehr lieb, keine Frage.
Th.: Die kannst du auch da sein lassen und ihr das sagen. Oma du warst immer
sehr lieb.
Kl.: Oma wollte nie was für sich, immer nur für die Familie. Aber
sie war natürlich sehr auf die Familie meiner Tante fixiert. Und wir waren
also nicht so der innere Kreis. Ich habe den Eindruck, ich will hier gar nicht
meine frühe Kindheit aufarbeiten. Das ist mir ziemlich klar alles.
Th.: Wie sieht deine Oma jetzt aus, oder wie reagiert dein Vater jetzt?
Kl.: Meine Oma ist so, wie ich sie jetzt im Augenblick sehe, ist ein Foto als,
von vor, ja, 25 Jahren als Sie ihre beiden Urenkel auf dem Schoß hatte.
Immer noch eine tolle Erscheinung. Sehr bescheiden, aber sie wurde dann senil,
sie hat dann Alzheimer bekommen. So die letzten zwei Jahre. Da hat sie dann
abgebaut, aber bis dahin war sie ganz gut in Form.
Th.: Ja, wenn du magst, kannst du die beiden fragen, könnt ihr mir noch
was sagen zu meinem aktuellen Thema, meinem Krebs oder soll ich da jetzt erst
mal weiter schauen.
Kl.: Meine Oma bestimmt nicht.
Th.: Frag sie mal.
Kl.: Oma, bist ja überfordert. Sie hat sich nie, nie im Leben zu irgend
etwas geäussert. Jetzt sagt sie, du schaffst das schon. So wie meine Mutter.
Mein Vater braucht nix für mich zu tun. Wenn er nicht selber weiss, was
er tun soll, ich sag’s ihm nicht. Muss sich selber seinen Grips anstrengen.
Wenn überhaupt. Mir ist jetzt viel lieber, dass die Beziehung mit meiner
Mutter so liebevoll ist.
Th.: Ja, sag's ihr auch mal, lass sie da sein, deine Mutter.
Kl.: Das sag ich ihr immer. Weil sie ist jetzt, wo sie selbst so krank war,
- Therapeutin fordert wieder zur direkten Kommunikation auf. – Ah, zwar
so viele Jahre, wo sie so krank war, war sie so das Kind und ich die Mutter.
- Therapeu-tin fordert wieder zur direkten Kommuni-kation auf. – Viele
Jahre warst du das Kind und ich die Mutter und jetzt bist du wieder die Mutter
und ich das Kind. Und das ist ganz schön. – Atmet tiefer und spricht
weiter mit weinerlicher Stimme. - Es tut mir auch leid, dass ich sie alle so
traurig gemacht hab. Weil sich ja alle um mich sorgen. – Klientin atmet
tief und weint. - Und ich wollte ihnen diesen Kummer nicht machen. – Atmet
tief. – Aber ich bin bestimmt eine glückliche Krebskranke, weil so
viel Menschen sich um mich kümmern, um mich sorgen und mich unterstützen,
für mich beten und alles für mich tun. Die tun sehr viel mehr als
die meisten anderen auch. Ich weiss es auch. Schon aus dem Grund möchte
ich gesund werden. – Atmet tief. – Nachdenken, nur an mich, morgens,
mittags und abends, meine Mutter und mein Bruder. Wo sie selbst doch auch so
belastet sind. Ich seh das gar nicht so auf mich bezogen, ich seh das so auf
meine Familie bezogen. - Therapeutin fordert wieder zur direkten Kommunikation
auf. – Auf uns alle bezogen, seh ich es. Es ist nicht gerecht. Aber was
ist schon gerecht im Leben? Die krebskranken Kinder in der Klinik sind auch
nicht gerecht. Wenn ich mit meiner Familie telefoniere, dann stell ich immer
alles so dar, es ist, damit sie nicht noch trauriger sind, noch mehr Angst haben.
Th.: Okay, sag‘ das auch, wenn ihr telefoniert.
Kl.: Nee, sag ich nicht, wollen sie nicht wissen.
Th.: Du sagst es ja nur in deiner Innen-welt. Die Draussen hören das ja
eh nicht. Schau mal, ob du denen das mal in dir sagen kannst.
Kl.: Ich will euch nicht zuviel Kummer machen, darum trage ich alles mit mir
selber aus. Was ich mich jetzt frage, ist, warum ich, was ich selbst für
einen Anteil habe. Warum ich mich selbst zerstören will. Warum dieses Ganze?
Warum das passiert ist? Was ich getan habe, dass das dazu gekommen ist.
Th.: Schau noch mal, wer dir dazu eine Information geben kann. Lass mal je-manden
auftauchen.
Kl.: Den möchte ich jetzt eigentlich nicht haben, aber das ist meine verflossener
Freund. Der ist jetzt gerade aufgetaucht.
Th.: Ja, lass ihn da sein, ist okay. Frag ihn mal, was hast du denn damit zu
tun? Wieso kreuzt du jetzt hier auf?
Kl.: Warum kreuzt du jetzt gerade hier auf? Du hast mir doch kürzlich gesagt,
dass du keinen Kontakt mehr mit mir willst. Brauchst auch nicht da zu sein.
Ich brauch dich nicht. Du hast nie verstanden, was ich wollte. Jetzt will ich
gar nicht mehr, dass du es verstehst. Du hast nie die Chancen gesehen, die wir
hatten. Betrachtest mich aus einem ganz primitiv dunklen Blickwinkel. Eine Ebene,
auf der du es nur betrachten konntest. Für den ich überhaupt kein
Verständnis habe. Aber du kannst eben auch nicht anders, weil du so bist
wie du bist. Aber dass du jetzt... Jetzt kriegst du dein Leben gar nicht mehr
auf die Rolle. Unsere Zeit waren mit die besten, die besten Jahre von dir. Besser
als das, was du jetzt hast. Ich wünsche dir, dass du dir eines Tages selbst
verzeihen kannst. Denn du bist ein ganz anständiger Mensch. Das ist nur
die Angst, die Unfähigkeit mit der Situation umzugehen. Nur brauchst du
dafür sehr viel Energie, um damit umzugehen. Und da hast du schon soviel
Energie in deine Verdrängungsprozesse investiert, dass du kaum noch welche
zur Bewältigung der restlichen hast. Aber das ist nicht mehr mein Job.
Das wollte ich dir ersparen. Dass du vor mir die Augen niederschlagen musst.
Denn drei Jahre war ich dein bester Freund. Es ging nur noch um die Freundschaft,
die du mir entzogen hast. Aber auch er war nur einer, der letzte in einer Reihe
der Männer, die mich abgelehnt haben. Beginnend vom Vater. Mein Ehemann.
Die Beziehung danach.
Th.: Spür mal, wie ist das für dich, wenn du das so wahrnimmst? Was
macht das mit dir?
Kl.: Ich bin froh, dass ich das jetzt hinter mir habe. Denn das Thema Frau ist
jetzt für mich vorüber. Einfach kein Thema. Ist irgendwo auch entlastend.
Th.: Wovon entlastet es dich. Das erste, was kommt von selbst.
Kl.: Von: Irgend jemand gefallen zu müssen.
Th.: Spür mal, wem du gefallen musstest.
Kl.: Ja, es ging um das Thema, gut genug und schön genug und klug genug
zu sein. Jetzt ist es völlig egal, ob mich noch einer, gut genug, schön
oder klug genug findet. Und das ist entlastend.
Th.: Spür mal, da ist was angefallen, dieses gut genug, schön genug,
klug genug zu sein. Wann bist du in diese Rolle geschlüpft? Mal, das erste
Bild, was von selbst kommt, jetzt. Die erste Situation, die sich dir zeigt.
Kl.: Das verstehe ich nicht. Was meinst du?
Th.: Guck mal, ob du mal die erste Situation auftauchen lassen kannst, wann
du damit angefangen hast, in diese Rolle zu schlüpfen, gut genug, schön
genug, klug genug zu sein.
Kl.: Immer schon. Schon als Kind.
Th.: Wem wolltest du gefallen? Für wen wolltest du schlau sein?
Kl.: Alle.
Th.: Schau mal, ob du denen das mal sagen möchtest. Das Thema hier, die
Rolle, die ich seitdem eingenommen hab, die habe ich seitdem gespielt. Oder,
die habe ich bis heute gelebt. Und jetzt habe ich hier auf körperlicher
Ebene das Thema. Wer kann mir da jetzt helfen? Oder was? Warum musste das so
sein? Oder so mit deinen Worten. Wie du es gerade gesagt hast. Oder guck, ob
du den Freund noch mal fragst, was hast du jetzt mit meinem Krebs zu tun?
Kl.: Ach ja, Hugo, was hast du mit meinem Karzinom zu tun? Er natürlich
nichts.
Th.: Er ist aufgetaucht, als du deine Fragen gestellt hast.
Kl.: Da kommt nix von ihm. Er hat nie mit irgend etwas zu tun.
Th.: Sag’s ihm. Spür wie es für dich ist.
Kl.: Ich habe dir einen Therapeuten be-sorgt. Mit dem musst du jetzt ernsthaft
arbeiten. Du musst hingucken. Aber es ist nicht meine Aufgabe. Ich weiss, dass
das für dich sehr schmerzlich ist, dir zu begegnen. Du hast immer gesagt,
du kannst nicht mit mir, weil ich dich durchschaue. Das heisst, dass du dich
nie so annehmen konntest wie du warst.
Th.: Kennst du das auch?
Kl.: Ich hab schon solche Sachen. Manchmal, wenn alle so begeistert sind von
mir, dann denke ich, ich bin eine Blenderin. Früher dachte ich das mehr,
jetzt denke ich schon, dass ich viel kann und viel getan habe für andere.
Ich hab eigentlich mein ganzes Leben immer für andere gelebt. Oft konnte
ich mit einem Satz das Leben eines Menschen verändern, nur meines kann
ich nicht. Weißt du, ich hab jetzt das Gefühl, ich bin traurig geworden,
ich will aber nicht traurig sein. Bis jetzt habe ich es ja noch gut unter Kontrolle.
Eigentlich habe ich ja, wenn ich bedenk, zwischen den Chemotherapiezyklen, voll
gearbeitet. Die Traurigkeit ist wirklich nur ein Teil. Die darf jetzt hier nicht
dominieren.
Th.: Lass sie doch mal da sein. Guck mal, du weißt das, es ist ein Teil.
Und ob du ihr nicht auch mal den Raum gibst. Das bist halt auch da, Traurigkeit.
Ist doch okay.
Kl.: Wahrscheinlich habe ich noch nicht genug geweint. Wenn der Krebs dafür
da war, mir Erkenntnisse zu bringen, die hat er mir schon gebracht, eigentlich
bräuchte ich ihn jetzt nicht mehr. – Therapeutin fordert zur direkten
Kommunikation auf. – Brauch dich nicht mehr, hab’s kapiert. Ich
werde mein Leben ändern, das ist ganz klar. Vielleicht nicht ganz mein
Leben, aber mein inneres Leben. Aber dazu brauch ich Raum, dazu brauch ich Zeit.
Das kann ich nicht in ein paar Monaten. Wenn ich finanziell unabhängig
wäre, würde ich sofort meinen Beruf an den Nagel hängen. Ganz
was anderes machen. – Atmet. - Bin ich halt nicht.
Th.: Frag ihn doch mal, was er bräuchte. Was war der Auslöser, dass
er entstanden ist?
Kl.: Warum bist du gekommen? Was gibt dir das Recht? Ich hab ihm immer ge-sagt,
wenn er mich umbringt, dann ist er auch tot, denn er kann ohne mich nicht leben,
aber ich kann ohne ihn sehr gut leben. Ich habe ihm auch gesagt, er kann bleiben,
wenn er gutartig wird. Aber er hat kein Recht mich umzubringen. – Therapeutin
fordert zur direkten Kom-munikation auf. – Du hast kein Recht, mich umzubringen.
Wenn du mich um-bringst, bringst du dich selbst auch um. Du hast auch gar kein
Recht, meinen Körper zu zerstören. Aber ich glaube das ist, ich weiss
nicht, ob ich das vorher schon so hatte, das Böse existiert ja nicht real,
das, äh, existiert ja nur in den Köpfen. Das Böse. Die Welt an
sich ist schön und gut, nur in den Köpfen der Menschen existiert das
Böse. – Atmet. – Ich glaube es hilft mir. Ich bin jetzt nicht
auf diesem positiven, krampfhaften positiven Denken, aber wenn ich all diese
schwierigen Gedanken, bösen, wenn ich die nicht mehr brauch. Ich denk ja
nicht viel Böses, aber dass mich Ereignisse so beschäftigen. Die Arztgeschichte
jetzt, wo sie mir diesen Part so versaut haben. Dann die blöden Sprechstundenhilfen,
die Frau Gemahlin des Arztes, die so blöd am Telefon war.
Th.: Lass die mal alle da sein. Und sag ihnen das. Sag mal, wie es dir damit
geht.
Kl.: Das habe ich denen schon ein paar mal gesagt.
Th.: Ja, sag denen das mal in deiner Innenwelt. Lass die da auch mal da sein.
Kl.: So jetzt mal alle hier her. Die Arztfrau, so eine emporgekommene Sprechstundenhilfe,
was die sich einbildet. – Therapeutin fordert zur direkten Kommunikation
auf. – Bildest dir ein, jetzt als Arztfrau, äh, jetzt hier dumm-arrogant
auftreten zu können. Hoffentlich lässt dich dein Mann nicht mehr in
die Praxis, denn du ruinierst das Geschäft. Ich wünsche dir, dass
du mit mir nur einen schlechten Morgen hattest und nicht immer so bist. Und
den anderen, nee, inkompetente, desinteressierte, kleine Mädchen. Wenn
ihr es in eurem Leben zu was bringen wollt, dann müsst ihr euer Hirn einschalten.
Und werter Herr Doktor, Sie sind sehr nett und sehr attraktiv und sicher auch
ein kompetenter Operateur. Aber Sie sind von Inkom-petenz in ihrer Praxis umgeben
und müssen sich neu organisieren dort. Sie können einem Patienten
nicht zumuten, dass er sich bei der Lehrlingsausbildung zur Verfügung stellt.
Und ich habe die Schmerzen. Ich habe das Problem. Ich habe das Recht, das zu
sagen. Ich kann meine Therapie, meinen Therapieplan nicht einhalten, ich muss
pro Tag, was ich länger bleibe in der Klinik 610 Mark bezahlen. Von versteuertem
Geld, das sind mindestens drei Tage, also über 2000 Mark wahrscheinlich.
Und da habe ich ein Recht, mich zu wehren. Und diese ganzen Zettel, die man
da vorher unterschreibt beim Arzt, dass man so mit allem gewarnt ist, was Schreckliches
passieren kann, das ist ungerecht, das Gesetz, das müsste man ändern.
Ich unterschreibe nie wieder einen Zettel ohne Zusatzbemerkung unten drunter.
Das habe ich mir schon fest vorgenommen. Die heisst: Unter der Bedingung, dass
nicht mit Inkompetenz oder grob fahrlässig irgend etwas verursacht wird.
Th.: Ja. Schau mal, wie die reagieren, wenn du das jetzt alles so ehrlich sagst.
Schau mal in ihre Gesichter.
Kl.: Nachdenklich. Der Arzt entschuldigt sich. Sagt, dass es ihm sehr leid tut.
Und das ist wirklich eine Verletzung gewesen, die hätte ich nicht auch
noch gebraucht. Ich bin geplagt genug.
Th.: Spür mal, ob du die Entschuldigung annehmen kannst.
Kl.: Damit ist es für mich auch vorbei. Menschen machen Fehler, ich habe
auch einen gemacht. Ich habe mich nicht genug informiert vorher. Denn ich war
an sich an einen anderen Arzt in der Praxis überwiesen. Aber es war ja
nicht der Arzt, es war ja das Umfeld. Das wäre beim anderen genauso gewesen.
Aber das hat mir gezeigt, wie richtig es war, dass ich immer selbst so aufgepasst
habe. Nicht immer alles gemacht, was man mir gesagt hat. Aber die Tatsache,
dass ich den Knoten in der Brust habe und dass das ein Sexualorgan ist, glaube
ich schon irgend wie, dass das entfernt was damit zu tun hat. Mein bester Freund,
den ich seit meiner Jugendzeit kenne, seit meinem 17. Lebensjahr, der hat am
gleichen Tag die Diagnose Krebs gekriegt wie ich. Und zwar der hatte Prostatakrebs.
Der lebt aber in Amerika. Wir haben das also ein paar Wochen später, haben
wir uns dann wieder gesprochen. Da waren wir beide sehr erstaunt. Was wir beide
hatten. Er hat auch so ein, Prostatakrebs, war von seiner Frau nach dem zweiten
Kind dann abgelehnt worden. Und er hat, er ist auch noch mit der Frau zusammen,
aber ich glaub nicht, dass da noch mal irgend was, eine Beziehung bestanden
hat. Ist ja auch so deutlich. Und ich lebe seit meinem 36. Lebensjahr jetzt
allein. Also 20 Jahre. Das ist ja auch ungewöhnlich. Und ich denke, dass
das damit zu tun hat, sonst hätte er ja irgend wo anders auftauchen können.
Th.: Schau mal, wen du da fragen kannst, ob das so ist, ob da der Zusammenhang
besteht.
Kl.: Wen soll ich denn fragen?
Th.: Schau mal, wer kommt. Kannst ja mal in deiner Innenwelt fragen, gibt es
irgend jemanden, der mir dazu eine Information geben kann?
Kl.: Also, wer sagt mir das? Wer gibt mit hier eine Antwort?
Th.: Ja sonst lass doch vielleicht mal einen Boten kommen. Schau mal. –
Schritte werden eingespielt. –
Kl.: Ich kann ihn nicht erkennen. Versuch es noch mal.
Th.: Atme mal, und dann schau einfach, wer dort kommt. – Schritte werden
noch mal eingespielt. – Schau mal, wer vor dir steht.
Kl.: Ich kenne ihn nicht. Da kann ich mir kein, ich versuch jetzt alle, die
ich kenne dran fest zu machen, aber ...
Th.: Nee, dann lass es auch, dann ist es nicht stimmig. Dann spür mal,
wie jetzt dein Impuls ist, ob du noch mal in den nächsten Raum gehen möchtest
oder ob du mal dein inneres Kind auftauchen lässt. Jeder hat ja so seine
Anteile in sich. Schau mal, vielleicht kennst du es ja auch schon. Dass dein
inneres Kind jetzt einmal kommt. Das erste, was auftaucht. – Kleine Pause.
– Ja, kannst du was wahrnehmen?
Kl.: Ich glaube schon, ja. Das nicht gelebte innere Kind. Das war, glaube ich
auch das Besondere an der letzten Beziehung, in der mein inneres Kind leben
konnte. Das war ständige Alberei und Spielerei und... Wenn’s möglich
war, ja. Das war das erste Mal, war das innere Kind teilweise befriedigt. Das
konnte spielen, blödeln. Dumm und klein sein. Bei diesen Spielen war oft
der Mann, der Freund der Vater, der viel jünger war und ich das Kind. Das
war der Wert dieser Beziehung. Dass ich etwas leben konnte, das ich so noch
nie gelebt hatte. Insofern war es ja in Ordnung.
Th.: Kannst du das Kind einmal beschreiben oder magst du es mal fragen, wie
es ihm jetzt geht mit dir? Bei dir? Oder ob da auch ein Zusammen-hang irgend
wo ist, eventuell? Mit was es da versorgt war? Was befriedigt worden ist?
Kl.: Ich weiss nicht, in welchem Alter ich es ansprechen soll.
Th.: Wie du es magst, wie es da ist, jetzt. Ist es unterschiedlich alt?
Kl.: Ich kann es nicht sehen.
Th.: Ja, lass einfach mal ein Bild da sein von dem Kind. Irgend eins. Das erste
was kommt.
Kl.: Mir fallen nur die wenigen Kinder-fotos an, die es von mir gibt.
Th.: Ja, super. Lass es mal da sein. Lass mal eins da sein.
Kl.: Da bin ich erst zwei Jahre alt. Da habe ich noch nicht viel gedacht. Und
auf dem Foto hat mein Bruder den Arm um mich gelegt. Die Suche nach Geborgen-heit.
Eine Geborgenheit, die gibt einem niemand anderes, die gibt es nur in einem
selbst.
Th.: Ja, das sagt der schlaue trainierte Kopf. Guck mal, ob du es dir mal eingestehst,
Papa, ich hätte dich gebraucht. Sieh mal, da muss ich jetzt 50, 56 werden,
damit ich endlich mal leben kann, Kind zu sein. Spielerisch, klein zu sein,
sag, ich brauch dich, ich will dich, oder was auch immer. So mit deinen Worten,
in deiner Innenwelt kannst du das ja mal machen, das hört ja keiner. Schau
mal, ob es geht.
Kl.: Ja, ich denk das wäre vielleicht eine Lösung für das Kind.
Heute früh war ich im Ärztezimmer, bei den Ärztinnen, habe so
rumgeblödelt, wie ich immer rumblödele, das war richtig schön.
Die strahlen auch immer, freuen sich, wenn sie mich sehen. Im Moment, wo ich
immer so, ja, wo ich eben dann so, meine Clownereien mache, blödele. Ich
seh schon das Kind, das innere Kind, das ist schon ein wichtiger Anteil. –
Therapeutin fordert zur direkten Kommunikation auf. – Du bist schon ein
wichtiger Anteil. Da habe ich mich auch gut gefühlt. Und hinterher ist
mir körperlich wieder so schlecht gegangen. Dann war es wieder nicht mehr
da.
Th.: Frag doch mal das innere Kind, was es bräuchte. Was würde ihm
gut tun?
Kl.: Also mein inneres Kind,w was brauchst du? Was kann ich für dich tun?
Was tut dir gut? Also als erstes muss es jetzt mal aufs Klo.
Th.: Ach ja, machen wir auch gleich. Schau mal, ob du mit deiner Blase noch
eine kleine Vereinbarung treffen kannst,
Kl.: Ja, ja, das ist noch nicht so dringend, aber die Sensationen im Bauch,
was du ja wahrscheinlich siehst. Die Chemo, die hat kräftig, die macht
mir kräftige Schwierigkeiten. Das plagt das Kind natürlich auch. -
Was braucht mein inneres Kind?
Th.: Vielleicht kann es dir für heute noch einen Tipp geben? Einen Hinweis?
Kl.: Heute braucht es Ruhe. Nix mehr bringen müssen.
Th.: Ich hatte auch gedacht, ob es noch irgend einen Qualität gibt, irgend
etwas, was ihm halt so ein bisschen Kraft gibt. Bisschen los lassen, oder Entspannung,
irgend eine Farbe. Etwas, das ihm gut tut. Einfach nur für es allein.
Kl.: Eine Freundin anrufen.
Th.: Dann guck mal, ob du diese Freundin mal da sein lässt, das Telefon
mal klingeln lässt, sie mal anrufst, oder ob du mal spürst, was gibt
dir diese Freundin?
Kl.: Ich habe so viele gute, ich weiss gar nicht welche ich anrufe.
Th.: Ja, schau mal, welche Qualität steckt dahinter? Was gibt dir das?
Was macht das mit dir?
Kl.: Geborgenheit.
Th.: Also eine Idee wäre, spüre mal, ob es für dich okay wäre,
wenn wir jetzt so zum Abschluss, so heute noch mal die Qualität Geborgenheit
... spüre mal, wenn das eine Farbe wäre, welche Farbe kommt dann zuerst?
Ganz spontan? Eine Farbe oder ein Symbol für Geborgenheit.
Kl.: Das war auch mit der Freundin.
Th.: Mit der Freundin sein?
Kl.: - Bejaht. - Mit der einen. Die ich jetzt auch angerufen hätte. Da
waren wir mit einem Freund von ihr. Da war ein Fest im Allgäu. Und dann
habe ich bei denen im Haus übernachtet, und wir saßen dann morgens
im Schlafanzug, so ungeschminkt und ungewaschen, noch Stun-den beim Frühstückstisch,
ich glaub drei Stunden, und haben uns so toll unterhalten. Was ich so selten
mache. Dazu gehört jetzt auch bei mir, wieder mehr mit Freunden machen.
Ich habe mich ja jetzt völlig zurück gezogen, mei. Weil ich habe gemerkt,
die die’s wissen, denen verdirbt man den Abend. Weil sie immer an einen
denken, die mögen einen ja. Vor einiger Zeit bin ich auf eine Geburtstagsfeier
gekommen, wo es alle wussten. Denen ist der Bissen im Hals stecken geblieben.
Th.: Spür auch mal, ob es vielleicht ein Stück deiner Heilung sein
kann, wenn du trotzdem den Mut hast und sagst, ich komme, so wie es geht. Ich
bin einfach nur da. Ich bin einfach nur da bei euch.
Kl.: So viel wie möglich. Also ich glaube, ein Stück meiner Heilung
ist so viel normales Leben wie möglich. Arbeiten, Freunde sehen, ausgehen,
Sport ma-chen.
Th.: Und dein inneres Kind erlösen noch, in deiner Innenwelt auch.
Kl.: - Bejaht. – Das war jetzt viel zu lange, gell. Das hat ja schon...
Th.: Nein, nein, nein, nur nicht so schnell. Auch wenn die Blase ganz doll drückt.
Kl.: Ich habe jetzt sowieso das Tuch nass geweint.
Th.: Das ist okay, dafür sind die da. Dann werden die gewaschen und dann
ist das okay. Und das ist doch toll. Das ist alles okay, so wie es ist. Du machst
das ganz toll. Ja, und spür mal, ob du dich in deinem Innern noch einmal
mit deiner Freundin auf jeden Fall verabredest. Sagst: Gleich so, wenn ich auf
der Heimfahrt bin, heute abend, wenn ich in meinem Bett liege, dann treffen
wir uns und dann machen wir uns einen geborgenen Abend, kuscheln uns alle beide
mal aufs Sofa und umarmen uns mal, und reden irgend was. Das kannst du auch
in deiner Innenwelt dann schon mal machen, einfach diese Qualität da sein
lassen.
Kl.: Das ist eine ganz Harte, hochintelligent, aber mit der verstehe ich mich
am besten.
Th.: Ihr erreicht euch da irgend wo ein Stückchen.
Kl.: Wir blödeln immer auf eine derbe Art und Weise miteinander rum. Unfein
auch.
Th.: Da ist ja dann Energie drin. Das brauchst du ja. Das ist schon okay. Ach
du so wie du’s brauchst. Ja und dann, dann guck mal, wie es da jetzt so
aussieht, wie es dem inneren Kind so geht mit der Verabredung? Freut es sich
drauf?
Kl.: Ja, geht ganz gut.
Th.: Dann spür mal, wenn du dich so umschaust, ob es da für heute
noch irgend was zu sagen, irgend was zu tun gibt. Verabschiedest dich auch von
deiner inneren Mama, Papa, Bruder. Von deinem Schreibtisch ...
Kl.: Der sieht gut aus.
Th.: Toll!
Kl.: Den konnte ich jetzt am besten visualisieren.
Th.: Der ist ja auch sehr dominant in deinem Leben. Das ist auch so der Aus-druck
im Moment, in der linken Gehirn-hälfte sein. In der Kontrolle sein. Im
Tun. Das andere, das alles, was so ein bisschen gefühlsmäßig
ist und nicht so kontrollierbar, wo es so abrutschen könnte, da ist der
Zugang noch nicht so da. Das ist das Unterbewusstsein, das gibt auch immer das
frei, was stimmig ist, in dem Moment. Und es ist okay.
Kl.: Ja, das stimmt, ich war schon viel links.
Th.: Das andere, das ist auch alles da. Schau mal, wenn du dich dann dort verabschiedet
hast, ob du dann da noch in irgendeinem Raum bist, aus dem Raum raus gehst,
in den Gang wieder zurück,
Kl.: Nebenan war meine Mutter gesessen. Aber die kommt ein anderes mal dran.
Th.: Dann sag ihr: Du bist in der nächsten Sitzung dran.
Kl.: Okay. Tschau, tschau.
Th.: Jetzt mal ausruhen, ein bisschen entspannen. Das Erlebte verarbeiten.
Kl.: Jetzt mache ich die Bürotür wieder zu. Gehe die Holztreppe hoch.
Draussen ist gleißendes Sonnenlicht, das mich ein bisschen blendet.
Th.: Dann schau mal, ob du dir da noch irgendwo einen schönen Platz suchen
kannst. Einen ganz kleinen Moment noch mal, so wie es für dich gut ist.
Nachspüren kannst.
– Schöne Musik wird zur Entspannung eingespielt. – Dann atme, reck dich und streck dich. Augen langsam öffnen. Und dann sei wieder ganz da.