Sumpfloch + Sinnlichkeit (151)
Die Klientin litt vor allem in ihrer Ehe unter Depressionen und sexuellen Problemen. In dieser Einzelsitzung kann sehr schnell der Hintergrund aufgedeckt werden: Die Mutter, die selbst mit dem Thema „Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Sexualität“ nicht umgehen konnte, reagierte auf erste sinnliche Erfahrungen ihrer Tochter - in diesem Fall mit Schlamm - wütend. Sofort wurde bei der Klientin die Prägung gesetzt: „Das darf ich nicht - meine Hände sind böse.“ Seit diesem Zeitpunkt litt sie immer, wenn sie sinnliche Berührungen vollziehen wollte unter schweren Händen und Schuld-gefühlen. Durch die erneute Konfrontati-on mit der Mutter in der Auslösersituati-on kann das prägende Muster sich verändern. Der innere Transformations-prozeß drückt sich in diesem Beispiel sehr schön darin aus, daß am Ende der Sitzung der Schriftzug „Rosige Aussich-ten“ erscheint. .....
Kl: Ja, jetzt begegnet mir der Mann, den ich dann auch geheiratet habe. In meiner
ersten Ehe und wo ich mich dann hab’ scheiden lassen.
Th: Wie sieht er aus?
Kl: Also er begegnet mir eigentlich recht fröhlich, mit einem Lächeln
im Gesicht. Er steht aber auch ziemlich in der Nähe eines Sumpfloches,
also direkt davor. Ich gehe aber hin und ich sage so zu ihm: Komisch, du lächelst
so freundlich, ich weiß gar nicht, warum ich in unserer Ehe so wahnsinnige
Depressionen gehabt habe. Ja, er verstünde es auch nicht. Und dann muß
ich immer auf dieses Sumpf-loch gucken und zu ihm hin.
Th: Mir kommt gerade eine Idee. Steht das Sumpfloch für deine Depressionen,
also für irgendetwas, was noch im Sumpf liegt? Wir können das überprüfen.
Wenn das so ist, dann soll es mal kurz blubbern.
Kl: Ja, es blubbert. ... Ja, ich habe so das Gefühl, ich sage ihm: Komm,
laß uns beide jetzt vernünftige Taucheranzüge anziehen, aber
alle beide und du guckst dir das mit an, denn du hast da etwas mit zu tun. Und
wir tauchen da beide rein. Ohne dich gehe ich da nicht rein. Es ist genauso
dein Sumpfloch, wie es meines ist. ... Also, das Eintauchen fällt mir leicht.
Es ist gar nicht so tief, das Loch, wie ich vermutet hätte.
Th: Oh ja, guck mal, was passiert, wenn du eintauchst. Welches Gefühl taucht
auf?
Kl: Es ist unheimlich viel Schlamm, und ich denke, das kenn’ ich - so
diesen Schlamm, das kenn’ ich. Jetzt kommen so Kinderbilder, wie ich als
Kind im Schlamm gespielt habe.
Th: Ja, sei nochmal doch, spür das nochmal.Wie ist das für dich?
Kl: Ja, körperlich angenehm.
Th: Also Körperlichkeit.
Kl: Ja. ... Aber jetzt kommt der Satz „Du darfst da nicht hin, du darfst
das nicht.“
Th: Hör mal die Stimme, wer sagt das?
Kl: Meine Mutter. Zwei bin ich. Und sie guckt sehr streng, sehr ernst, sehr
streng. Sehr böse auch. ... Oh, das ist nicht schön für mich.
Also, ich fühle mich, als wenn mich von ihr so ein Strahl trifft und ich
ein Stück zurücktaumle.
Th: Das ist fast so wie eine Entschei-dung, die du in diesem Moment fällst.
Hör auf, das ist zu gefährlich, kann ich nicht, darf ich nicht, mach
ich nicht.
Kl: Ja, tu ich nie wieder. Ich tue nur noch das, was der andere richtig findet.
Th: Ah ja, woher kommt das, was macht sie denn mit dir, daß du das folgsam
machst? Ist es die Stimme?
Kl: Der ganze Ausdruck, die Stimme und auch so die Wut in ihren Augen. Das kann
ich nicht ertragen, weil das sonst so eine liebevolle Frau ist und war, also
ich seh’ immer so sehr viel helle Energie von ihr und ich liebe sie einfach
sehr, sie ist mir sehr nah.
Th: Also, jetzt geh an die Stelle mit deinem Bewußtsein, wo dich dieser
Aus-druck zum allerersten Mal geprägt hat, denn irgendein Erlebnis muß
vorher gewesen sein, so daß das jetzt schon so eine Wirkung hat, ihre
Stimme, ihr Aus-sehen, ihre Art. Welches ursprüngliche Erlebnis kommt hoch,
jetzt? Schau aus deinen Augen heraus - jetzt.
Kl: Also, ich sehe mich nur aus dem Kinderwagen rausgucken, so baby-mäßig,
also nicht mehr ein ganz kleines Baby, schon ein bißchen größer.
Th: Spüre mal, was du schon machen kannst. Schreien, quäken. Spüre
mal, wie sich das anfühlt im Körper, was du siehst und dann guck mal,
was passiert.
Kl: Ja, mein kleiner Bruder ist so 1 1/2 Jahre älter als ich, der guckt
zum Kinderwagen rein und ich patsche ihm Schlamm ins Gesicht. Ich weiß
nicht, wie ich an den Schlamm gekommen bin. Auf alle Fälle, diese Händchen
sind voll Schlamm und das patsch ich dem so ans Gesicht, es kann auch Scheiße
sein.
Th: Riech doch mal dran.
Kl: Ne, ist Schlamm, ist Dreck, es stinkt nicht. Mein Bruder schreit und ich
patsche in dem Kinderwagen da rum und es ist Geschrei und ich sehe das Gesicht
meiner Mutter, die sagt: Oh, nein, nein, nein! Und die klatscht mir so auf die
Hände und versucht das recht grob auch so abzuwischen und sauber zu machen
und ich hatte das schon überall hingeschmiert. An die Beine, zwischen die
Beine, also ich war total verschmiert. Es ist auch Sommer, es ist warm.
Th: Was macht die Stimme mit dir, die Worte, spüre es mal ganz genau. Da
wird so etwas wie eine Prägung gesetzt, jetzt. Was ist es? Es ist eine
Entscheidung, die du fällst, an der Stelle.
Kl: Ich fühle mich schuldig. Ich verstehe zwar nicht ganz, d.h. ich verstehe
überhaupt nicht, warum sie böse ist. Und ich fühle mich schuldig
und habe das in Zusammenhang mit diesem Matsch und anfassen und so über
den Körper gleiten, meinen Bruder anfassen. Also anfassen und schmieren,
nein, nicht mehr.
Th: Und das fühlte sich körperlich eben noch richtig angenehm, gut
an?
Kl: Ja, ja.
Th: Spüre mal mit deinem heutigen Bewußtsein, was das für eine
Wirkung auf dich hat.
Kl: Ich habe das Gefühl, meine Hände sind böse. Ja - ich darf
nicht anfassen. Ja, ich habe böse Hände.
Th: Schau deine Hände an und sag es ihnen.
Kl: Ihr seid böse! ... Die ziehen sich zurück und sind traurig. Sie
sagen, wir sind eigentlich nicht böse. Aber sie ziehen sich sofort zurück.
Und die tun dann auch nichts mehr, die Hände. Wollen auch nichts mehr anfassen,
nichts mehr entdecken, nichts mehr tun.
Th: In der Situation, wenn du mit einem Mann zusammen bist, oder in deiner Ehe,
ist da irgend etwas ähnlich? Dieses Gefühl - und die Hände ziehen
sich zurück.
Kl: Ja, das kenn’ ich gut. Die werden dann ganz schwer und ich will auch
nichts anfassen, nichts entdecken, ich habe Angst, was zu tun, was verkehrt
ist.
Th: Es ist jetzt auch sehr wichtig, daß du die Zusammenhänge noch
einmal sehr deutlich spürst und die Bilder siehst, die dazu gehören.
Laß eine Situation mit deinem Mann, auftauchen. Und dann pendle einmal
mit deinem Bewußtsein zwischen dem ursprünglichen Bild und der Situation
hin und her. Das ist so etwas wie eine Prägung, und Prägungen kannst
du nur auflösen, wenn du wahrnimmst und dann anfängst, anders zu handeln.
Diese Prägung ist damals gesetzt worden.
Kl: Ich bekomm’ so dieses Bild: mit meinem Mann im Bett, und diese Bild:
als Baby im Kinderwagen - und ich taxiere, wie die Energie von meinem Mann ist.
Also wenn er Wut in sich hat, also wenn ich meine, seine Wut wahrzunehmen, oder
Gereiztheit - oder so etwas - also irgend eine Unstimmigkeit, dann gehen meine
Hände ganz weg von ihm. Dann will ich nichts von ihm anfassen, bin sehr
passiv. Ja und wenn er so fröhlich ist, gelöst und im Fluß und
ich nehme das wahr - so ganz locker, dann können meine Hände auch
sehr aktiv sein, dann habe ich diese Schwere nicht. Aber sie ist nie ganz weg.
Also dieses sinnliche - sich einfach nur freuen, an dem Schlamm-spiel, das kann
ich heute nicht mehr. Dieses totale Sein - und der ganze Körper ist Lust
- das geht nicht.
Th: Du könntest jetzt noch einmal da rein gehen, in dieses Baby. Sei noch
mal dieses Baby, sei noch mal dieses absolute Sein. Spüre mal den Schlamm
überall an deinem Körper - spüre dieses Lustgefühl - vielleicht
ist es auch kein Lustgefühl, vielleicht ist es nur einfach toll. Kein Wort,
keine Wertung, keinen Ekel, das gibt es alles nicht. Spüre es noch einmal
überall und spüre deine Hände, wie sie sich bewegen. Jetzt atme
mal diese Energie in dich ein, jetzt hier in deinen Körper, hier wo er
auf der Matratze liegt und spüre mal, in welchen Bereich deines Körpers
sie hin will. Stell dir einfach vor, wie du sie einatmest und irgendwo in deinem
Körper einlagerst - so wie „nach Hause bringen“. - Musik zum
Ankern wird eingespielt - Ganz bewußt, mit jedem Atemzug. Ja. Kannst du
diese Energie jetzt wahrnehmen? Wenn du das Gefühl hast, daß das
reicht, dann geh wieder mit deinem Bewußtsein in eine Situation rein,
wenn du mit deinem Mann zusammen bist, wenn du neben ihm liegst. Dann faß
ihn nochmal an und spüre in deinen Körper, wie er jetzt reagiert.
Kl: Es wird irgendwie so anders, also wir liegen beide nackt auf dem Bett und
ich fasse ihn an und ich spüre meinen Körper total, meinen Unterleib,
alles. Und dann bekomme ich so ein Gefühl für meine Hände, daß
ich annehmen kann oder auch die Situation steuern kann, so wie ich das gerne
möchte, so wie ich auch gerne angefaßt werden möchte. Und dann
kommt so das Gefühl, ich habe mich eigentlich auch viel zu lange verletzen
lassen, weil ich die Hände lahm gelegt habe.
Th: Ok, geh noch einmal in die Situation zurück, wo das entstanden ist
- diese erste Situation - und dann sag mit deinem heutigen Bewußtsein,
was immer du sagen willst zu deiner Mutter.
Kl: Also paß’ auf Mutti, ich sehe deine Verkorkstheit als Frau und
du bist auch Opfer deiner Geschichte, aber ich möchte nicht länger
das Opfer deiner Ge-schichte werden. Ich kann verstehen, wenn du das nicht möchtest,
aber es ist einfach schön, mich anzufassen, meinen Körper zu spüren,
den Schlamm zu schmecken, zu riechen, zu fühlen, alles - und ich möchte
sinnlich sein, auch wenn du damit nicht einverstanden bist. Es ist nichts Böses,
was ich hier tue, ich verletze niemand damit, ich bin dadurch noch lange keine
Hure.
Th: Was sagen ihre Augen?
Kl: Ja, sie ist traurig und neidvoll. Sie hat viel später mal zu mir gesagt,
als ich 18 Jahre alt war, als ich meinen ersten Freund hatte, und sie wußte,
daß ich mit ihm sexuelle Kontakte hatte: Jetzt ist dein Weg als Hure nicht
mehr weit entfernt, der steht dir offen. Diese Sorge stand wohl immer im Raum,
diese Verklem-mung.
Th: Sag ihr, was das ausgemacht hat, damals.
Kl: Du, mich hat das ganz tief verletzt damals, weil du mich nicht gesehen hast,
wie ich eigentlich wirklich bin. Ich habe genau gesehen, daß du etwas
Verkehrtes meinst. Du hast mich in eine Rolle reinpressen wollen, die ich nicht
meinte und die auch nicht mein eigen ist. Du hast mir deine Männerfeindschaft
aufdrücken wollen.
Th: Wenn du möchtest, dann gib ihr doch einfach die Hure zurück.
Kl: Kann ich ihr diese Rolle so einfach zurückgeben?
Th: Klar, denn es ist dein Leben, wenn es nicht geht, nimmt sie es nicht an.
Kl: Es ist dein Ding, es ist deine Geschichte, es ist deine Störung und
ich will sie nicht mehr.
Th: Schau mal, ob du bereit bist, ihr das einfach zuzubilligen, eine Störung
zu haben. Ob du ihr sagen kannst, o.k. es ist so, was immer du meinst, es ist
deine Sache.
Kl: Also, ich würde sie schon gerne bekehren, ich kann ihr das schlecht
zubilligen. ... Ich habe Schwierigkeiten damit, dir deine Weltanschauung so
zuzubilligen.
Th: Spüre mal, daß ihr euch genau da trefft. Es geht nicht um den
Inhalt der Weltanschauung, sondern du möchtest sie auch ein bißchen
bekehren und das will sie auch. Da seid ihr ähnlich. Spüre, daß
da etwas Gemeinsames ist. Schau sie an dabei und spüre sie mal.
Kl: Ja, sie hat Angst davor, daß ich sexuell zu aktiv werde und damit
zum Opfer von Männern.
Th: Ja, sag ihr das.
Kl: Ich kann deine Angst jetzt begreifen, irgendwo, ich kann das so sehen und
ich weiß, daß es für mich anders ist, ich kann aktiv sein und
trotzdem brauche ich mich nicht vergewaltigen zu lassen. Es ist an mir selbst,
meine Erfahrungen zu ma-chen und auch meinen Weg zu gehen. Ich sehe, daß
wir beide den gleichen Bekehrergeist haben und das amüsiert mich. Ja.
Th: Was passiert mit ihr, wenn du ihr das so klar und ehrlich sagst?
Kl: Sie billigt mir meinen Weg zu und sie fühlt sich verstanden auch von
mir. Ich habe sie erreicht. ... Also, ich sehe schon, daß von ihr sexuell
ein etwas lähmendes Gefühl ausgeht und ich sehe, daß da auch
ein Teil davon bei mir ankommt, eine Wirkung hat. Aber ich spüre, das wird
jetzt wieder lebendig in mir.
Th: Wie geht es dir jetzt?
Kl: Ich fühle mich ganz friedlich, ich habe gerade meinem Unterbewußtsein
noch-mal die Frage gestellt - „Hab ich denn Aussichten, daß ich
das, was ich in der Therapie erfahre, auch im Alltag umsetzen kann?“ Dann
kam ein Bild von einem Fenster und draußen war alles rosa. Und dann ging’s
mir eigentlich so gut, dabei war ich mir auch meiner selbst so sicher. Daneben
stand: „Rosige Aussichten!“
Th: Also, ich sehe das immer so: „Wenn die Kinder in der Schule schreiben
lernen, dann können sie es im Leben auch. Gut, dann komm wieder zurück
und mach diesen berühmten Sprung in die Wirklichkeit.