Klaus Lange

„Ich bin kein Therapeut, sondern ich gehe diesen einfachen Weg nach innen.“

1. Innere Erfahrungen machen

„Die inneren Erfahrungen, die ich praktiziere und vermittle, sind nichts Neues. Sie werden in vielen Religionen - mit anderen Worten und Verfahren geübt und gelebt.“
Innere Erfahrungen zu machen ist ganz einfach: ein bißchen achtsamer mit sich leben und ab und zu bewußt Kontakt mit dem aufnehmen, was im eigenen Körper oder Inneren deutlich wird. Eigentllch könnte das selbstverständich sein, es ist bei uns jedoch weitgehend unbekannt. Daher kommen viele westliche Menschen erst dann mehr mit sich und ihrem Inneren in Kontakt, wenn leidvolle, schwierige oder bedrohliche Vorgänge drastisch in ihnen spürbar werden, z.B. als körperliches oder seelisches Leiden.

2. Leiden - Hintergründe und Ursachen

Überlastung, Streß, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und viele andere unangenehme Gefühle und Zustände werden in bestimmten Lebenssituationen immer wieder spürbar. Man empfindet sie als lästig oder bedrohlich und leidet an ihnen. Sie gehören zu jedem Menschen, auch wenn man persönlich mehr oder weniger stark von ihnen berührt wird. Die meisten Betroffenen glauben jedoch nicht, daß dies „normale" menschliche Zustände oder Vorgänge sind. Sie empfinden und bewerten „das Unangenehme" als falsch oder negativ und wenden sich -oft ganz unbewußt- dagegen, um es zu überwinden und zu beseitigen.
Leider macht bei uns kaum jemand die Erfahrung, daß es nicht die bedrohllchen Gefühle sind an denen man so furchtbar leidet. Es wird fast nie bemerkt, daß das eigentliche Leiden der Mangel an Vertrauen zum eigenen Inneren ist und die daraus resultierende gnadenlose und gewaltsame Abwehr gegen das Unangenehme in einem selbst, das man vermeidet, verdrängt, verleugnet und wie die Abwehrmechanismen alle funktionieren... .
Damit macht man das, was sich in einem selbst unangenehm anfühlt, ganz fremd.
Man empfindet sich häufig als Opfer anderer Menschen und äußerer Umstände. Dann kämpft man nicht mehr nur in sich, um das Unangenehme zu überwinden. Man bemüht sich ebenso, Menschen oder äußere Umstände „in den Griff zu bekommen", um sie so lange zu verändern, bis es einem endlich besser geht.
Viele Menschen haben auf dem Hintergrund dieses riesigen, dauerhaften, unerbittlichen Kampfes gegen „das Unangenehme" -in sich- eine tiefe Sehnsucht danach, endlich zur Ruhe zu kommen, nichts mehr tun zu müssen und sich nicht mehr anstrengen zu müssen.

3. Der Ansatz

Grundsätzlich geht es Klaus Lange darum, mehr und mehr mit allem im eigenen Inneren in Beziehung zu treten, d.h. sich mit allem, auch den unangenehmen Aspekten des eigenen Selbst, vertraut zu machen, sich mit sich selbst zu verbinden. Für diese Selbsterfahrung hat er eine Methode entwickelt. Diese möchte ich im folgenden zum besseren Verständnis zunächst in einzelnen, aufeinander folgenden Schritten darstellen, die sich in der praktischen Erfahrung natürlich nicht so deutlich trennen lassen:

3.1. Achtsamkeit und bewußte Beziehung zu sich selbst

Klaus Langes praktiziert und bietet einen sehr einfachen Weg der Achtsamkeit und der bewußten Beziehung zu sich selbst an.
„Man muß keineswegs erst leiden, um innere Erfahrun-gen zu machen. Man darf auf sich selbst neugierig sein und - vielleicht mit Aufregung oder Angst- „zu sich kommen...“.“
Man kann sich diesen Erfahrungen in verschiedener Weise zuwenden:

- im ganz normalen Alltagserleben für sich allein
- in vertiefter, verdichteter Weise in ausgesonderten Zeiten, ähnlich einer Meditation
- undloder mit der Unterstützung eines „Begleiters" als welcher sich auch Klaus Lange versteht

„Dabei kann es hilfreich sein, sich von Menschen, die schon mehr Vertrauen zu sich gewonnen haben, zu eigenen Erfahrungen ermutigen zu lassen. Früher gab es dafür vielleicht die liebevolle Großmutter, die einem zuhörte und einem deutlich machte, daß Freude und Leid zum Leben gehören und daß man selbst so in Ordnung ist, wie man ist.“
Die „BegleiterInnen" sind Menschen, die mit einem achtsamen Umgang mit sich selbst und mit vielen inneren Themen schon vertrauter sind. Sie müssen keine Ausbildung haben, um zu inneren Erfahrungen zu ermutigen. Einige sind auch Therapeuten, die ihre fachlichen Fähigkeiten verwenden können, wenn es gewünscht wird.
Insofern wird deutlich, daß Klaus Lange nicht den Anspruch erhebt psychotherapeutisch zu arbeiten. Er versteht sich vielmehr als Ermutiger, Ermöglicher von vertiefter Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung. Dazu bieten er und Menschen, die seine Seminare besucht haben ihre Begleitung an.
Sein Ansatz ist ganz pragmatisch und gründet im wesentlichen auf seinen persönlichen Erfahrungen und den Erfahrungen der Menschen, die er begleitet hat. Auf eine sehr einfache, klare, offen lassende Weise, stellt er diese Erfahrungen in einen weltanschaulichen Zusam-menhang auf den ich weiter unten näher eingehe. Er bemüht kein abstraktes Ordnungsmodell/Konzept oder einen anspruchsvoll klingenden Rahmen/Überbau.

3.2. Stufen auf dem Weg des „zu-sich-kommens"

1. Wahrnehmen sich hinwenden und achtsam sein „Man ist immer bei sich"
Die faszinierende Reise zu sich selbst beginnt, wenn man dort anfängt, wo man -in sich selbst- ist. Man wendet sich mit gezielter Aufmerksamkeit seinem eigenen Inneren zu (den Körperempfindungen, den Gefühlen, den Bildern, Erinnerungen, Phantasien, Gedanken, Vorstellungen) und nimmt sie bewußt als etwas Eigenes wahr. Wenn nichts von sich aus deutlich wird, kann man sich jede Art von Vorstellung, Einbildung oder Phanta-sien machen. Alles sind Vorgänge im eigenen Geist, und alles ist auf dieser Ebene real, ganz unabhängig davon, wie es zustande gekommen ist. Es ist für den Anfang hilfreich, das Ganze nicht zu ernst und wichtig zu nehmen und nicht als Arbeit anzusehen, die man immer richtig machen muß. Es ist ein Spiel der Achtsamkeit und der Unbewußtheit. Mal ist man auf der einen Seite, mal auf der anderen. Nach der ersten Gewöhnung wird es dann selbstverständlicher, sich öfters zu spüren und Achtsamkeit bedeutet dann das Wahrgenommene mehr und mehr als etwas Eigenes zu spüren und es im Augenblick so zu lassen, wie es ist.

Der Körper als dichteste Ebene des eigenen Wesens ist besonders geeignet für erste Kontakte. So kann man sich beispielsweise seinem Herzen zuwenden. Wenn von innen kein spontaner Eindruck des Herzens entsteht, kann man es sich vorstellen. Denn auch Vorstel-lungen oder Einbildungen sind Geist und damit -für Klaus Lange- innere Wirklichkeit. Die Wahrnehmung des Herzens löst fast immer sehr viel aus. „Herz, ich spüre dich“ kann zunächst gesagt werden um dann auszudrücken wie es sich anfühlt, ob es fremd ist oder vertraut, ob man es besuchen möchte... . Oft kommen Ge-fühle auf, z.B. Traurigkeit und Schuldgefühle, die aufgefordert werden können zum Herzen mitzukommen. Und auch das Herz selbst ist ein besonders guter Helfer, wenn man es in seine weiteren inneren Erfahrungen miteinbezieht, z.B. bei der Beschäftigung mit einer Krankheit, die immer ein Hilferuf der Seele ist.
„Von Menschen, die zu mir kommen, höre ich immer wieder den Ausspruch: „Ich war schon so schön bei mir, jetzt bin ich schon länger überhaupt nicht mehr bei mir." Frage ich nach, höre ich zum Beispiel von Trauer, Angst oder Enttäuschung. Damit wird mir klar, daß die Betref-fenen mit ihrer unangenehmen Seite nicht vertraut sind und sie noch nicht als eigenen Zustand erfahren können oder wollen. Der Satz: „Ich bin nicht bei mir“ ist ein Signal für besonders interessante innere Themen, denen man sich bisher verweigerte, weil sie zu unvertraut oder bedrohlich erschienen....“.

Sehr oft stehen die unangenehmen Verhaltensweisen im Vordergrund, die man bisher nur bei dem Anderen gesehen hat. (Anm.: Tatsächlich ist er nur der Auslöser für mein Erleben, nicht die Ursache!) Beginnt man sich dem innerlich zuzuwenden, wird sehr schnell deutlich, daß man an seinem eigenen unbewußten Umgang mit Schutz, Abwehr, Lieblosigkeit und vielleicht sogar durch seine Gewalttätigkeit gelitten hat.

Am Anfang kann das eingestehen daß es so ist wie es ist, sehr schmerzhaft sein. Aber dadurch gewinnt man einen Zugang zu dem, wovor man sich bisher im eigenen Inneren am meisten zu schützen versucht hat.

2. Durch Ansprache die inneren Beziehungen vertiefen

Zur Vertiefung der im ersten Schritt entstandenen Beziehung zu meinem Inneren und zur Konzentrier-ung/Fokussierung der Wahrnehmung spreche ich das Auftauchende an, z.B. „Angst, ich spüre dich und ich kann dich gerade eben noch aushalten.“.

Häufig bekommt man von diesem Angesprochenen auch Antworten, so daß eine innerer Dialog beginnt. Auf diese Weise kann man mit allen Ebenen von sich in bewußten Kontakt kommen und mit allem sprechen, was es in einem gibt: mit dem Körper und allen seinen Teilen und Organen, mit Gefühlen, Gedanken, Vorstel-lungen, Erinnerungen, Phantasien, Einbildungen und Träumen, mit Wärme und Kälte, mit Helligkeit und Dunkelheit, auch mit Weite, Grenzenlosigkeit, Auflösung und mit vielen inneren Vorgängen oder Zuständen, die man vielleicht gar nicht benennen kann.

3. Nicht verstehen müssen, was erlebt wird

Es ist für den „Erfolg" keineswegs wichtig zu verstehen, was da gerade passiert. So ist für Klaus Lange sogar der Drang, alles verstehen zu müssen, ein unbewußter Schutz vor direktem, inneren berührt-werden... .

4. Mich mir zunehmend anvertrauen durch mein inneres Erleben und mich mir ausliefern

Ich drücke durch das Ansprechen mein Vertrauen aus und öffne mich dem Erleben dieser Erfahrung noch stärker, „Trauer, ich spüre dich und du darfst da sein.“. Zunächst wird die Trauer so belassen, wie sie im Moment ihres Auftretens erlebt wird.

Dabei muß man, wenn man nach innen spricht keineswegs alles annehmen oder lieben, was man da spürt. Man kann ganz ehrlich mit sich umgehen und auch sagen: „Spannung, ich mag dich nicht“ oder „Schmerz, ich hasse dich!“.

Daß man einen unangenehmen Zustand lieber loswerden möchte ist verständlich. Sagt man jedoch nur: „Traurigkeit geh weg!“ setzt man damit den meistens unbewußten Kampf gegen die Traurigkeit die man noch gar nicht wirklich kennt fort, weil man bisher nie „mit ihr", sondern nur „gegen sie" gelebt hat.
Noch direkter, ungefilterter und damit intensiver wird das Erleben, wenn ich mich etwas sehr Bedrohlichem oder Unangenehmem ausliefere: „Verlassenheit und Hilf-losigkeit ich liefere mich euch aus. Macht mit mir, was ihr wollt.“.

Das löst bei allen Menschen zuerst große Angst aus. Sie befürchten, daß die bedrohliche Verlassenheit und Hilflosigkeit total übermächtig und dauerhaft werden könnte.
„Trotz solcher Ängste und Vorurteile kann ich ohne Bedenken dazu ermutigen. Denn man liefert sich ja nicht an etwas äußeres aus, sondern an ein eigenes unvertrautes Gefühl. Niemand wird dadurch geschädigt, zerstört oder lebensunfähig. Ich erlebe immer wieder mit, wieviel (Selbst-)Vertrauen aus dieser Hingabe entsteht.“

 

5. Veränderung, Wandlung durch Hingabe und/oder durch Aktivität

Bei dem eben beschriebenen dynamischen Vorgang des Wahrnehmens, Achtsam-Seins, Hinsprechens und sich auslieferns läßt man die inneren Vorgänge oder Zustände einen Augenblick lang so, wie sie sind. Das ist das ZuIassen-Können, die Hingabe an mich selbst, die viel Vertrauen schafft.
Klaus Lange hält diese Art des Umgehens mit sich deshalb für besonders wichtig weil „die meisten westlichen Menschen an der Einseitigkeit leiden, immer aktiv sein zu müssen, immer handeln, verändern, unter Kontrolle bringen und kämpfen zu müssen. Sie haben kein Ver-trauen zur Hingabe, weil sie nicht wissen, daß es zuerst darum geht, sich dem eigenen Inneren anzuvertrauen.“.

In einem weiteren Schritt kann man dann auch darangehen, etwas zu tun: „Schmerz du bist mir unerträglich. Jetzt werde ich versuchen dich loszuwerden.“.
Dennoch zeigt die Erfahrung, daß häufig bereits allein durch die schrittweise Hingabe an das, was ich in meinem Inneren vorfinde, durch die vorbehaltlose Hingabe, schließlich eine Wandlung dessen, was da ist eintritt, scheinbar ohne, daß ich im üblichen Sinn etwas aktiv daran verändert habe!

„Wirbelsäule, du gehörst im Augenblick auch so zu mir, wie du bist. Jetzt gebe ich dir die Freiheit. Sei so, wie du sein möchtest.“ Die Wirbelsäule kann dann weiter schmerzen, sie kann sich jedoch auch verändern, wenn sie es möchte.

Dieses Zulassen-Können drückt Vertrauen zu dem angesprochenen Teil aus, so daß man damit nicht nur der Wirbelsäule Freiheit gibt, sondern auch sich selbst.
Man muß sich aber nicht ausschließlich für das vorbehaltlose Annehmen entscheiden, wenn man den „inneren Weg" praktiziert. Man kann z.B. bewußt eine innere Beziehung zu seiner kranken Wirbelsäule aufnehmen, aber dennoch auch zur Krankengymnastik gehen oder zum (äußeren) Arzt und sich behandeln oder operieren lassen.

 

6. In der Gegenwart sein

Bei solchen inneren Erfahrungen entsteht fast immer eine Kette von inneren Vorgängen, die aufeinander folgen und die man nacheinander wahrnehmen und an-sprechen kann. Damit erlebt man sich immer im unmittelbaren „Jetzt“.

Sagt man zum Beispiel einer Spannung im Körper: „Spannung, ich spüre dich“ kann man sich bewußt werden, was man fühlt, wenn man so Kontakt zu dieser Spannung aufnimmt. Vielleicht wird man traurig, dann sagt man: „Trauer, ich spüre dich. Ich kann dich nicht zulassen.“. Dadurch erlebt man wiederum wie man sich schützt vor diesem unerträglichen Weh der Trauer, wie man es abwehrt und sagt: „Schutz, ich spüre dich“ nach einer Weile kommt vielleicht Verlassenheit und Hilf-losigkeit an die Oberfläche und ich kann sie ansprechen: „Verlassenheit und Einsamkeit ich spüre euch. Ich kann euch kaum noch ertragen. Aber ich weiß, daß ihr auch zu mir gehört" oder bezogen auf ein schmerzhaftes Or-gan: ,,Darm, du gehörst im Augenblick auch so zu mir, wie du bist. Jetzt gebe ich dir die Freiheit. Sei so, wie du sein möchtest.“.

„Der Mensch, den ich begleite, glaubt am Anfang immer, sich mit jemand anderem zu beschäftigen, wenn das Bild eines anderen Menschen in seinem Inneren auftaucht. Ich weiß jedoch, daß er ganz und gar in seiner inneren Gegenwart ist und sich selbst erlebt. Das Bild des anderen Menschen ist ein Ausdruck des eigenen Geistes, ob man es glaubt oder nicht. Nimmt man dazu Kontakt auf, beschäftigt man sich nicht mit dem anderen Menschen, sondern ausschließlich mit sich selbst. Und dabei kann man seine eigenen Grenzen und sein eigenes Leiden erfahren, aber ebenso erlebt man sehr oft äußerst Angenehmes und Beglückendes.“

Wäre man immerzu achtsam, könnte man sich den ganzen Tag so erleben und zu dem sprechen, was nacheinander ins Bewußtsein kommt. Jeder von uns hat jedoch jahrzehntelang trainiert, sich nur wenig oder gar nicht wahrzunehmen. Wenn man bemerkt, daß man wieder eine ganze Zeit lang unbewußt gelebt hat, kann man sagen: „Unbewußtheit, du bist auch ein Teil von mir.“. Man muß auch die eigene Unbewußtheit nicht überwinden oder beseitigen. Geht man bewußter mit ihr um, wird man vertrauter mit ihr. Danach ist sie nicht mehr so zwanghaft und dauerhaft.

7. Jederzeit abbrechen können

Man kann jederzeit abbrechen und sich wieder zurückziehen. Man sagt einfach stop! öffnet die Augen und orientiert sich wieder in der äußeren Wirklichkeit.
„Hilflosigkeit, ich kann dich im Augenblick nicht mehr ertragen. Ich breche ab und ziehe mich zurück.“ Bei der nächsten Begegnung wird die Hilflosigkeit trotzdem schon ein bißchen vertrauter wirken. „Man dürfte jedoch alles zulassen, auch wenn es sehr bedrohlich erscheint. Denn im eigenen Inneren gibt es nichts, was einen schädigt oder zerstört.“
Zusammenfassung: des" inneren Weges":

 

4. Literatur, Kontaktadresse

Literatur: Klaus Lange: ,,Herz, was sagst du mir?",
,,Bevor du sterben willst, lebe!",
Kreuz Verlag, Stuttgart, 1995