Leukämie (177)
Die Klientin erhielt vor wenigen Tagen die Diagnose „Leukämie“
und erlebt in dieser Sitzung diese schrecklichen Stunden noch einmal - die Diagnose,
das Arztgespräch, die Prognose, nur noch 2 Monate zu leben, wenn sie die
Chemo-therapie verweigert, ihre Todesangst, ihre Unsicherheit ......
Sie konfrontiert sich intensiv mit den Ärzten und dem Tod und festigt ihren
Entschluss, auf die Chemotherapie zu verzichten ud leben zu wollen.
Die Klientin ist zu Beginn der Sitzung mit ihren Gedanken im Krankenhaus. Der
Therapeut fragt sie nach einer konkreten Situation und sie findet sich bei einer
Untersuchung wieder.
Kl: Die Organe werden gerade ausgemessen - warum wohl? Sie wollen se-hen, ob
sie von der Norm abweichen. Eine Routineuntersuchung. - Herr Dok-tor, sie können
mir ruhig alles sagen. Er meint, sie müssen erst alles auswerten. - Ich
will wissen, was hier abgeht. Diese Unsicherheit nehme ich als Beklemmung wahr.
Ich habe das Gefühl, da ist noch was, aber ich bekomme keine Antwort. Später
muß ich wieder hoch, in einen anderen Raum: Knochenmarktransplan-tation,
Untersuchungen, weil mein Im-munsystem etwas geschwächt wäre. Ich
habe Angst, ich habe AIDS. Aber wo-her? Nein kein AIDS. - Unsicherheit und Panik
breitet sich in meinem ganzen Kör-per aus. Ich habe das Gefühl, der
verschweigt mir was.- Das kriegen wir schon hin. - Vielleicht klärt sich
was nach dem nächsten Ergebnis. - Die Klientin beginnt zu weinen. - Es
war entsetzlich: Ich liege im Bett. Eine fremde Ärztin kommt. Sie sagt,
haben Sie Vertrauen, wir kriegen das wieder hin. Wir haben bei ihnen eine Leukämie
festgestellt. Ich fühle mich ganz starr. Wir müssen sie auf eine andere
Station verlegen. Sie müssen gleich Chemotherapie bekommen. Ich ziehe mir
die Decke über den Kopf. Ich will sie nicht mehr sehen. - Die Klientin
weint. - In mir ist nur Entsetzen. Ich sehe meinen Schwager in der Klinik. Er
hatte Leukämie. Ich sehe ihn dahinsiechen, ich sehe ihn mit Glatze, aufgedunsen,
im Sterilzelt. Wir dürfen ihn nicht anfassen. Das ist jetzt 3 Jahre her.
Frau Doktor, mit Chemotherapie ist doch noch keiner gesund geworden. - Keine
Aufre-gung. Sie ziehen jetzt erstmal um und sprechen mit ihrer Familie. - Ich
habe Angst, wahnsinnige Angst.
Th.: Laß die Angst in einer Gestalt da sein.
Kl: - weint heftig - Ich sehe den Tod, groß und schwarz, mit Sense. Er
mäht alles weg. Tod, was willst du hier? Ich will dich nicht. Ich kann
dich nicht gebrauchen. - Er grinst nur hämisch. Er steht da und wartet,
daß ich mitkomme. Was mache ich bloß?! Ich ruf zuhause an, aber
es ist niemend da. - Klientin schluchzt verzweifelt - Ich bin so alleine. Alle
sind Lügner. Ich habe so viel Wut. - sie nimmt den Schlagstock und schlägt
auf den Boden. - Es sind alles Heuchler! - Klientin weint - die Schwestern,
die Ärzte, alle!
Th.: Bleib da,konfrontiere dich mit ihnen.
Kl: Jetzt habe ich einen jungen Mann im Rollstuhl angeschnauzt, der sich wegen
Butter mit den Schwestern anlegte. - Du hast keinen Grund dich aufzuregen. Er
schaut mich ganz erschrocken an. - Ach, du warst eigentlich gar nicht gemeint,
du standest gerade da. Eigentlich bist du der einzige Nette.
Th.: Er ist wütend auf die Schwestern und du auch. Laß alle Schwestern
und Ärzte antanzen. Er hilft dir sicher dabei.
Kl: Herr Professor, für mich sind Sie ein aufgeblasener Affe. Ich habe
sie längst durchschaut! Ihre blöden Fragen, „was machen die
Lymphen?“ Ich muß Sie an meine Blutwerte erinnern. Heuchler, ich
fühle mich rundherum verarscht von euch allen.
Th.: Du hast Angst und der tut nichts. Schnapp ihn dir, er ist für dich
da. Laß alles raus, was du angestaut hast.
Kl: Herr Professor, ich muß mich jetzt um mich kümmern. Ach, ist
alles scheißegal. Ich pack jetzt meine Sachen.
Th.: Die Energie ist noch nicht draußen. Den mußt du dir nochmal
vorknöpfen.
Kl: Ich muß auf eine andere Station, die Krebsstation.
Th.: Wie fühlst du dich?
Kl: Ausgebrannt. Ich habe zuviel ge-weint. Auf der anderen Station sind alle
da: Mutti, mein Mann, meine Tochter. Ich will, daß sie bei dem Gespräch
mit dem Professor dabei sind. In dem Zimmer liegt schon eine Frau mit Glatze.
Th.: Wie ist das für dich?
Kl: Ich denke, das ist ungut. Ich will nicht so aussehen, wie sie. Die Frau
glaubt an Heilung. - Die Klientin würgt - Mir ist schlecht. Wir sitzen
alle auf Stühlen, der Professor sitzt auf einer Tischkante und schaut auf
uns runter, nicht Auge in Auge.
Th.: Sag es ihm.
Kl: Professor, ich mag nicht, daß Sie auf uns runtergucken. Wir kommen
zum Thema.
Th.: Bleibt er dort sitzen? - Klientin bejaht - Du kannst ihn dort runterschubsen.
Kl: Im Moment habe ich nicht die Kraft dazu. Also ich muß Chemo haben,
weil ich zuwenig Leukozyten habe. Mein Mann steht auf und schreit „kommt
überhaupt nicht in Frage!“ - Dann stirbt sie erst recht, sagt der
Professor. Sie hat noch 2 Monate, wenn sie nicht gleich am Montag Chemo bekommt.
- Die Klientin weint sehr - Nur noch 2 Monate! - weint total verzweifelt - Das
kommt so plötzlich! Jetzt streiten sie sich über meinen Kopf weg.
Der Professor will mich dort behalten, mein Mann will mich mitnehmen. Ich bin
so alleine.
Th.: Sag es ihnen, drück’s aus! Sie sollen aufhören, sich über
dich zu streiten.
Kl: - schlägt mit den Stock auf den Boden und schreit und weint - Ich kippe
gleich um, mir ist so schwindelig.
Th.: Bleib hier, bleib in Konfrontation mit dir und mit dem Arzt!
Kl: - verzweifelt - Ich weiß nicht, auf wen ich hören soll. Ich kann
nicht entscheiden. Ich bin so alleine. Was mach ich jetzt, was mach ich jetzt?!
Der Professor bringt mich mit der Chemo um und mein Mann, wenn er mich mit nach
Hause nimmt, auch. Was soll ich nur machen?
Th.: Sag es ihnen und nimm den Tod dazu.
Kl: Der Professor ist stinksauer. Der Tod ist auch sauer. Er läuft wie
der Professor.
Th.: Frag den Tod, warum du hier bleiben sollst.
Kl: Du bist vielleicht mein nächstes Opfer, sagt er.
Th.: Hat er mehr Chancen, wenn du da bleibst?
Kl: Genau, das ist es. Such dir jemand anderes, Tod. Jetzt ist er böse.
Mein Mann nimmt mich an der Hand und zieht mich durch den Gang. Der Tod bleibt
beim Professor zurück. Meine Mutter redet auf mich ein. Überleg’s
dir noch-mal, der Professor meint es gut mit dir.
Th.: Zeig deiner Mutter den Tod und schau, wie sie reagiert.
Kl: Sie sieht den Tod und hat auch Angst und weint. Mama, ich geh das Risiko
ein. Ich bin dem Tod schon mal von der Schippe gesprungen. Ich kann es wieder
schaffen. Es ist nicht richtig, hier zu sein.
Th.: Schau mal, was der Tod jetzt macht und wie du dich fühlst.
Kl: Er guckt bedauernd hinterher. Ich bin froh, daß ich dir entronnen
bin. Du kriegst mich nicht.
Th.: Schau mal, ob er einverstanden ist.
Kl: Das paßt ihm nicht, aber ich bin so schnell. Da, wo ich jetzt bin,
da findet er mich nicht. Ich bin jetzt erleichtert und habe wieder Vertrauen.
Th.: Wie nimmst du das wahr?
Kl: Er kann mir nichts mehr anhaben. Ich kann mich jetzt wehren.
Th.: Dann laß ihn da sein und sag es ihm direkt.
Kl: Komm her Tod, ich schlag dich k.o. - Klientin schlägt und lacht. -
Er weicht aus. - Ich vertreibe dich, du hast in meinem Leben nichts zu suchen.
Er hat seine Sense weggeworfen und gibt auf.
Th.: Frag ihn mal, wieviel Jahre er dir noch gibt.
Kl: Das weiß er selber nicht so recht. Er weiß mit mir nichts anzufangen.
Sowas Aufmüpfiges ist ihm selten begegnet, ist ihm zu anstrengend.
Th.: Schau, was er macht.
Kl: Er verzieht sich. Herr Professor, so geht’s! Ich laß mich nicht
von dir einlullen. Ohne dich habe ich mehr Chancen.
Th.: Wie reagiert der Professor?
Kl: Arme irre Seele, sagt er. - Sie irren sich. Ich bin so stark und so fest.
Ihre Chemo können sie ausprobieren, wo sie wollen, aber nicht bei mir.
- Der Professor sagt zu sich: Da geht mir ein Haufen Geld durch die Lappen.
Vielleicht hätten wir die ja über’n Berg gekriegt. -Experi-mentiert,
mit wem ihr wollt, aber nicht mit mir! - Klientin seufzt - Jetzt geht’s
aufwärts!
Th.: Wie reagiert dein Mann?
Kl: Er entschuldigt sich bei mir für seine Unbeherrschtheit, aber der Professor
hätte ihn so gereizt.
Th.: Wie geht es deiner Tochter?
Kl: Sie ist so stark, sie will mich aufbauen. Carina, du bist ein Supermädchen.
Du hast mich so schön unterstützt. Ich fühle mich so erleichtert.
Ich bin so frei.
Th.: Ich will dich testen, indem du nochmal zum Professor und der Ärztin
gehst.
Kl: Sie sitzen am Bett. Frau Doktor, ich merke, daß Sie sich nicht wohlfühlen
in ihrer Haut. - Ich wollte sie nur beruhigen, sagt sie. - Es hat das Gegenteil
bewirkt. Wenn jemand krank ist, durchschaut er das Spiel. Herr Professor, lassen
Sie nicht so den Professor heraushängen. Alles, was sie erzählen ist
Lüge!
Th.: Wie reagiert er?
Kl: Er hat daran zu knacken, denn er ist ein arrogantes Arschloch. Das hat ihm
noch keiner gesagt. Eine Therapie würde sein ganzes Weltbild erschüttern.
Jetzt geht er im Gang auf und ab und überlegt, ob was dran ist, das diese
Frau abgehauen ist. Ich habe beim Professor was ausgelöst. Er überlegt,
ob er was anders machen kann. Jetzt geh ich.
Th.: Geh noch dorthin, wo ihr alle versammelt seid. Es hat sich was verändert.
Schau mal, ob er jetzt was anderes macht.
Kl: Er holt sich einen Stuhl. Er setzt sich. Er ist betroffen und will mir die
Diagnose schonend beibringen. Er macht noch andere Vorschläge. Ich kann
es entscheiden und soll es in Ruhe überlegen. Ich bespreche alles mit meiner
Familie. Der Professor sagt, er kann auch bei Chemo keine Garantie geben. Er
ist ehrlich. Mein Mann erzählt ihm, was er für Alternativen sieht.
Th.: Was ist mit den 2 Monaten?
Kl: Das hat er nur gesagt, wegen der Chemo. Niemand weiß es genau. Er
wollte mich als Patientin behalten. Jetzt habe ich nicht mehr die Angst, wie
im Krankenhaus. Ich bin froh, daß ich da raus bin. Ich habe hier im Kamala
jetzt genau das, was ich brauche: Ruhe, Besinnung, Kräfte aufbauen. Ich
weiß, das es wichtig ist, daß ich hier bin.
Th.: Laß nochmal den Tod auftauchen, schau mal, wie er jetzt aussieht.
Kl: Der Schwarze mit der Sense. Der steht da und wartet, bis ich ihn rufe. Er
ist nicht mehr so groß und bleibt in der Ferne zurück.
Th.: Hast du jetzt die Entscheidungsfrei-heit, wann der Tod kommt?
Kl: Wenn ich so schwach, so schlapp bin, laß ich ihn näher an mich
ran.
Th.: Das heißt, an der Stelle ist etwas noch nicht ganz bearbeitet. Themen,
die mit dem Tod zusammenhängen. Frag mal den Tod.
Kl: Tod, bleibst du da stehen und wartest bis ich dich rufe? - Du hast mich
so verprügelt. Ich komme nicht. - Jetzt ist der Druck in meinem Hals weg.
Th.: Der Tod ist ein Energieausdruck von dir. Dein Bild mit dem Anteil des „nicht
leben wollen“. Dieses Bild mit dem Tod muß in dir so eindeutig sein,
daß du keine Energie brauchst, um ihn auf Abstand zu halten. Dann ist
er gekippt.