EMDR:
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (Augenbewegungs-Desensibilisierung) |
Francine Shapiro
Erlösende Blicke: EMDR - das neue Therapiewunder
Seit Jahren sorgt die von der amerikanischen Psychologin Francine Shapiro entwickelte
Kurz-Therapie EMDR: Eye-Movement-Desensitization and Reprocessing („Augenbewegungs-Desensibilisierung“)
mit spektakulären Erfolgsmeldungen für Aufsehen: so soll EMDR traumatisierte
Angst-Patienten in einer einzigen Sitzung aus ihrer Seelennot befreien.
In vielen Fällen entwickeln Menschen, die ein lebensbedrohliches, katastrophales
Ereignis erlebt haben, eine sog. „Posttraumatische Belastungsstörung“.
Typisch hierfür sind das häufige, von stark negativen Gefühlen
begleitete Wiedererleben der traumatischen Erfahrung in Form von spontan sich
aufdrängenden Gedanken, Phantasien und Alpträumen, sowie Vermeidung
von Situationen, die in irgendeiner Art an das Trauma erinnern. Außerdem
kommt es zum Verlust bisheriger Interesssen, einer allgemeinen emotionalen Stumpfheit
und häufig auch zu Suchtverhalten.
Die Psychologin
F. Shapiro erregte Ende der 80er Jahre großes Aufsehen, als sie Vietnam-Veteranen,
sowie vergewaltigte Frauen mit einer Technik behandelte, die sie „Augenbewegungs-Desensibilisierung“
nannte und die bei Folgeuntersuchungen nach drei Monaten zeigten, daß
die Hauptsymptome, wie Alpträume und „Flashbacks“ abnahmen
oder völlig verschwanden. Nach anfänglich großer Kritik und
Ablehnung dieser Therapiemethode in Psychologenkreisen, sind in der letzten
Zeit immer mehr wissenschaftliche Studien erschienen, in denen die Wirksamkeit
dieses Verfahrens überzeugend nachgewiesen und bestätigt wurde. In
der größten bisher vorliegenden Studie wurden 80 traumatisierte Patienten
in drei 90minütigen Sitzungen von speziell ausgebildeten EMDR-Therapeuten
behandelt. Das Ergebnis war verblüffend. Die mit der taumatischen Erinnerung
verbundene Angst, die Flashbacks und Vermeidungen nahmen deutlich ab, alllgemeine
Ängste und Depressionen verminderten sich ebenfalls. Mittlerweile haben
weltweit mehr als 10.000 Kliniker an EMDR-Trainings teilgenommen. Allein in
den USA sollen 100.000 Trauma-Patienten erfolgreich behandelt worden sein.
Wie kann man sich nun die positiven Wirkungen dieses Verfahrens erklären?
Shapiro selbst glaubte anfangs, bei EMDR seien die Augenbewegungen entscheidend,
während sie an das traumatische Erlebnis denken. Sie vergleicht EMDR daher
mit dem „Traumschlaf“ der REM-Schlafphase. In dieser Phase kommt
es ebenfalls zu ruckhaft rhythmischen Augenbewegungen (REM= Rapid Eye Movement),
die wichtig sind, um psychische Erfahrungen zu verarbeiten. Es stellte sich
aber heraus, daß auch akustische Reize, Berührungen oder andere motorische
Abläufe ähnlich wirken wie die Augenbewegungen. Entscheidend ist daher
offenbar ein Zustand der „doppelt fokussierten Aufmerksamkeit“.
Shapiro geht von folgender Annahme aus: Traumatische Erinnerungen sind in Gedächtnis-Netzwerken (neuronale Verschaltungen) gespeichert. Während Erfahrungen normalerweise so verarbeitet werden, daß sie angemessen integriert und zukünftig genutzt werden können, ist dieser adaptive Prozess bei posttraumatischen Störungen blockiert, sodaß die Erinnerungen im ursprünglichen Zustand erhalten bleiben. Diese Netzwerke werden in der EMDR aktiviert (Strukturkippung) während entlastende Verbindungen zu anderen Netzwerken gefördert werden und dadurch blockierte Selbstheilungsprozesse wieder in Gang kommen. Es wird vermutet, daß durch die rhythmischen Augenbewegungen zum einen die konditionierte Reaktion gelöscht wird, zum anderen beide Gehirnhälften derart stimuliert werden, daß stereotype Muster unterbrochen und neue Assoziationen gefördert werden. |
Es ist zu erwarten, daß zukünftige Forschungen über die Wirkmechanismen von EMDR zu neuen Erkenntnissen über die psychische Verarbeitung emotional wichtiger Erinnerungen führen.