Multiple Sklerose (192)
Die Klientin hat MS seit 1990. Sie war bereits 96 im Kamala und hat
11 Ses-sions absolviert. Ihre Krankheit war da-nach viel besser geworden, so
daß sie sogar wieder alleine Zug fahren konnte, wie sie sagte. Danach
hat sie abgebrochen, weil bestimmte Themen dran wa-ren, die sie nicht gerne
angucken wollte. Jetzt, 1999 ist ihre Krankheit wieder so schlimm, daß
sie nur mit Mühe gehen kann und immer schwindlig ist. Sie weiß, daß
sie mit Synergetik weiter machen will, und ist jetzt auch bereit, sich ihren
Themen zu stellen.
Die Klientin sieht vier Türen, nur rechts. Sie nimmt die erste. Auf dem
Schild ist ein roter Punkt. Sie öffnet die Tür.
Kl: Ja, ich werde sofort traurig. Der Raum ist leer.
Th: Ja, laß die Traurigkeit ruhig da sein. Spür mal, wo die Traurigkeit
her kommt. Was ist es, was dich so traurig macht, wenn du in diesen Raum schaust
und der leer ist.
Kl: (weint) Ja, ich seh immer noch den roten Punkt vor mir. - Sie spricht ihn
an. -
Ich habe so ein Kribbeln in den Beinen. Der rote Punkt der kuckt mich einfach
an.
Was willst du von mir? - Hast du eine Botschaft für mich? Ich spüre
nur diese Angst.
Th: Wo spürst du die Angst in deinem Körper.
Kl: Ja, im Bauch, in den Beinen, an den Knien, in den Schultern, überall.
Th: Sag das der Angst, daß du sie überall spüren kannst. - Die
Klientin spricht die Angst an. - Bitte doch mal die Angst, daß sie sich
in einer Gestalt zeigt.
Kl: Irgendwie hab ich das Gefühl, es kommen irgendwelche Monster raus.
So Geister. Wie die Geister, die aus der Flasche kommen, sie haben keine konkrete
Gestalt.Ich habe nur einen Druck im Bauch und in den Beinen so ein Kribbeln.
Th: Laß dich mal mitnehmen, von diesem Druck im Bauch und dem Kribbeln,
wo es seinen Ursprung hat.
Kl: Ja, ich sehe einen Wald und so Bäume.
Th: Wie fühlst du dich, wenn du den Wald siehst.
Kl: Eigentlich gar nicht so wohl.
Th: Magst du etwas näher hin gehen?
Kl: Ich gehe in den Wald hinein. Die Angst ist da und so ein Gespenst ist auch
da. - Wo willst du mich hinführen? Ich sehe einen Brunnen. Ich schaue da
rein. Und der ist ein Abgrund. Das Wasser ist schon zu sehen, aber so tief.
Und das Wasser ist abgestanden. Und das Was-ser stinkt. Und da ist die rote
Farbe ir-gendwo. Der Brunnen ist ein bißchen rot.
Th: Ja, du kannst jetzt folgendes ma-chen. Du kannst da runter steigen, oder
dich fallen lassen und mal kucken, wo du ankommst. Spür mal, was geht für
dich.
Kl: Ja, ich werde mich mal reinfallen lassen. Aber ich habe Angst vor dem Was-ser,
ich kann nicht schwimmen. Ja, ich bin in dem Wasser und da ist ein Tunnel. Der
ist dunkel. Ich seh lauter Gestalten, die mit der Realität nichts zu tun
haben.
- Die Klinetin spricht sie an. - Der Tunnel ist ganz eng, aber ich habe so ein
Gefühl, hinter dem Tunnel ist das Meer. Aber ganz weit weg. Ich weiß
nicht was ich tun soll. - Sie fragt den Tunnel danach. - Ja, da ist noch eine
Abzweigung, die wird im-mer enger. Das ist der Weg den er mir zeigt.
Th: Bist du bereit, den Weg zu gehen?
Kl: Ja, gut, ich bin bereit, aber ich weiß nicht, wie ich durchkomme.
Es ist so eng. Ich weiß nicht, was ich in diesem Weg machen soll. - Die
Klientin weint.
Th: Ja, laß es raus, mach einen Ton.
KI: Ich füh mich wie in so einer Schachtel drin.
Th: Ja, so ganz eng, ganz eingesperrt? - Die Klientin nickt. - Ja, sprich es
aus, sag, wie du dich fühlst.
Kl: Ich fühl mich so eingesperrt.
Th: Sag's noch mal lauter.
Kl: (weint) Ich füh mich eingesperrt.
Th: Sag's noch lauter. (Prozeß Musik)
Kl: (weint) Ich fühl mich so eingesperrt!!! - Die Klientin atmet tief.
- Ja, der Druck auf dem Magen ist noch da, aber ich seh den Himmel. Aber die
Beine tun mir weh.
- Sie spricht den Schmerz in den Beinen an. - Ja, da ist eine Hand mit einem
Hammer in der Hand. Der haut - auf meine Knie. - Die Klientin weint.
Th: Ja, ich mach das mal. - Die Therapeutin macht Fäuste und haut sachte
auf die Knie der Klientin. - Spür mal, willst du dir das gefallen lassen?
Kl: (weint) Ich weiß nicht. Ich bin machtlos.
Th: Spür mal, wer dir helfen kann. Wen magst du dir holen?
Kl: Ich weiß nicht, meinen Engel.
Th: HoI deinen Engel.
Kl: (weint) Der kuckt nur zu. (weint).
Th: Kennst du schon deine inneren Löwen, hast du ihn schon mal zur Seite
gehabt?
Kl: Einmal habe ich den schon gesehen in einer Sitzung.
Th: Magst du ihn mal holen, vielleicht kann er dir helfen.
Kl: Ja , der ist sofort gekommen.
Th: Spür mal, wie ist der. Ist der kraftvoll, ist er mutig?
Kl: Er ist kraftvoll, der ist auch mutig. Aber irgendwie, der kuckt immer so
lieb. Der macht mir auch keine Angst. Der ist mein lieber Freund sozusagen.
Th: Ist er bereit, dir zu helfen?
Kl: Ja, eigentlich, der Löwe, der zeigt schon seine Kraft. Aber irgendwie,
der kämpft, aber man sieht nicht direkt, gegen wen er kämpft.
Th: Wer hält denn diesen Hammer in der Hand?
Kl: Ja, ich sehe einen Mensch, ein Mann ist es glaub ich.
Th: Erinnert er dich an jemanden?
Kl: Ja, irgendwie kam er mir so bekannt vor.
Th: Frag ihn mal, wer er ist.
Kl: Ich weiß nicht, der erinnert mich an jemanden in meiner Kindheit.
Th: Laß den mal da sein, den Mann aus deiner Kindheit.
Kl: Ja, das ist vielleicht auch kein Mann, aber ein Junge. Ich habe habe öfter
die-se Situation vor Augen. Also ich wohne im dritten Stock und ich laufe runter
und ich bin ungefähr so alt, wie meine Tochter, so sieben. Ja, ich laufe
die Treppe runter wie alle Kinder, aber der Junge hat die Tür aufgemacht,
daß ich da rein gehe. Ich bin in seine Wohnung reingegangen und er hat
mir eine Banane gegeben und na ja, ich mußte ihn ein bißchen anfassen,
glaub ich.
Th: Sei mal da jetzt, sei mal in dieser Situation.
Kl: Ja, der steht da auf seinem Bett und ich habe seinen Penis angefaßt,
glaube ich.
Th: Ja, spür mal, wie ist das für dich. Der steht da auf dem Bett
und du mußt seinen Penis anfassen. - Die Klientin atmet tief. - Spür
mal, was für ein Gefühl hast du?
Kl: Ja, ich habe das Gefühl, das ich auch früher gehabt habe, als
Kind, das ist ei-gentlich ein schlechtes Gefühl - daß ich nicht was
gutes mache. Irgendwie, ich seh immer das Bild von meiner Mutter, die hat mir
dann irgendwie die Religion immer eingeprägt. Und irgendwie so ein Gefühl,
daß ich angesprochen wurde, obwohl viele Kinder in dem Haus waren.
Ich erinnere mich nur an die Situation, daß ich dann glücklich mit
der Banane raus gehe. Was da passiert ist, erinnere ich mich nicht. Habe ich
vielleicht ganz schön verdrängt.
Th: Sei noch mal das kleine Mädchen, das da steht, vor dem Jungen. Wie
fühlt es sich an? Ist da Angst, oder Scham, oder wie fühlt es sich
an?
Kl: Ich weiß nicht, ich hasse ihn sozusagen.
Th: Ja, sag ihm das.
Kl: (mit ganz lieber Stimme) Ich hasse dich. - Sie soll es ihm deutlicher und
lauter sagen, reagiert aber in derselben Stimmlage. - Ich hasse dich.
Th: Was möchtest du mit ihm machen? Möchtest du ihn anfassen?
Kl: Nein, ich will ihn hauen.
Th: Mach das. - Die Therapeutin gibt ihr den Schlagstock und spielt Prozeßmusik
ein. - Mach einen Ton dabei, sag was zu ihm. - Die Klientin strengt sich an,
Ton zu machen, zu schlagen, es kommt alles sehr gepreßt, ohne Emotion,
es fließt nichts. Nach einer Weile ist sie außer Atem. - Wie geht's
dir?
Kl: Ja, sozusagen, ich frage mich, ich hasse ihn gar nicht. - Die Klientin lacht.
- Ja, ein bißchen hasse ich schon. Weil, das ist eine Situation, die ich
eigentlich mir gar nicht gewünscht habe.
Th: Er hat etwas mit dir gemacht, was du nicht wolltest, was deine Würde
verletzt hat.
Kl: Ja. Sagen wir, mit meinem Glauben, oder mit meiner Erziehung.
Th: Spür mal in deine Beine, wie geht es ihnen? Schmerzen die noch?
Kl: Die Knie nicht mehr, aber die Ober-schenkel. - Sie spricht den Schmerz an
und läßt sich ein Bild zeigen. - Ja, ich sehe ein Seil, das stranguliert,
an meinen Beinen, meinen Oberschenkeln, Seile, die mich fest halten.
Th: Ich halte dich mal an den Ober-schenkeln.
Kl: Ich sehe einen Schlitten, Schnee-landschaft, mit Hunden davor. Da ist jemand
drauf, ein Mann auf jeden Fall. - Sie spricht ihn an. - Der will immer weiter
in die Freiheit.
Th: Der will dir die Freiheit zeigen? - Die Klientin bejaht. - Aber das Seil
hat dich noch gebunden, du kannst noch nicht mit gehen? - Klientin bejaht erneut.
- Was magst du tun?
Kl: Ja, ich möchte mich am liebsten da drauf setzen, auf den Schlitten,
aber ich seh mich noch nicht mal. Wahrscheinlich bin ich ein Zuschauer.
Th: Spür mal, wenn du das Seil lösen würdest, würdest du
dich dann sehen können?
Kl: Ja, ich habe noch nicht mal den inneren Impuls, das ich mitgehen will, oder
irgendwas. So als hätte ich mich schon abgefunden mit der Situation.
Th: Du willst lieber gebunden bleiben? - Die Klientin atmet intensiv. - Ich
mach den Druck mal stärker. Willst du das aushalten?
Kl: Ja, ich bin ja vielleicht so ein Typ, der aushält, aber warum?
Th: Ist das angenehm? - Klientin verneint. - Willst du das trotzdem aushalten?
Kl: Ja, ich finde keinen Ausweg. Obwohl er mir die Freiheit zeigt.
Th: Ja, er zeigt sie dir, du kannst sie ha-ben. Willst du dich lösen, ganz
tief in dir drin? Spür mal in dich hinein.
Kl: Ja, ich weiß nicht. Ich bin in so einer Situation, daß ich nicht
weiß.
Th: Du weißt nicht, was du willst, oder weißt du nicht, was du machen
sollst?
Kl: Ja, genau, das ist der Punkt. Vielleicht weiß ich auch nicht, was
ich will. Das ist so eine blöde Situation. Ja, der Reiz, in die Freiheit
zu gehen ist groß, da. Viel-leicht, ich kann mich von diesem Seil be-freien,
ich weiß nicht, was ich mit ihm mache. Normalerweise, mit meinem Kopf
würde ich dann trennen, aber ich weiß nicht.
Th: Spüre mal für dich den Reiz der Frei-heit. Wie das wäre,
wenn du frei wärest. Laß dieses Gefühl mal groß werden
in dir. Spür mal, ob das geht, daß du die Freiheit spürst.
Kl: Ja, es ist so ein schönes Gefühl, zu reiten. Ja, und dann ohne
Begrenzung. Das ist irgendwie ein schönes Gefühl. Irgendwie in Träumen
habe ich das auch immer. Das ich laufe oder renne, oder so was. Und dann steh
ich auf und die Situation ist wieder die selbe. Aber der Impuls zur Freiheit
ist da.
Th: Ich halte die Oberschenkel noch mal fest. - Die Therapeutin umpannt sie
mit festem Griff.
Kl: Ja, ich frage jetzt mal, wer hält das Seil, oder die Seile, weil es
sind ja zwei. Wer? - Komischer Weise ist wieder meine Mama da.
Th: Laß sie da sein. Frag sie, was sie mit den Seilen zu tun hat. - Die
Klientin spricht die Mutter an. - Ja, ich bin schuld. (weint) Ich bin schuld.
Ich hab immer das Gefühl, du liebst mich nicht, obwohl, du bist sowieso
nicht mehr da. Aber du liebst die anderen und mich nicht. (weint). Alle lieben
mich nicht, meine Mama und mein Papa, weil ich immer so frech bin. Ich bin nicht
lieb. Ich habe einen gewissen Frei-heitsdrang in mir. (weint) Ich bin böse
auf meine Mama, aber irgendwie fühle ich mich auch wieder schlecht, weil
sie tot ist. Man kann ja nicht böse sein auf eine Seele, eigentlich.
Th: Es geht ja um deine Bilder, das, was in deiner Innenwelt ist. Es ist nicht
wichtig, ob sie jetzt noch lebt oder nicht. Sie lebt in dir sowieso weiter.
Es geht um das, was du in dir hast.
Kl: Und sie ist immer noch eine riesige starke Person da. Mama, was willst du
von mir überhaupt. Warum haßt du mich? Ich habe immer noch das Gefühl
von böse sein.
Th: Daß du böse bist? - Die Klientin bejaht. - Du hast gesagt, du
hast eine starkes Gefühl nach Freiheit, einen Drang nach Freiheit. - Klientin
bejaht. - Was ist geschehen, daß dieser Drang nach Freiheit unterdrückt
worden ist.
Kl: Ja, da sind immer noch diese Schuldgefühle da.
Th: Laß dir mal ein Bild zeigen, wo dieses Schuldgefühl her kommt.
Kl: Mama, sagst du mir, daß ich ein böses Kind bin, oder wer sagt
das mir? Jetzt sehe ich den Pfarrer der Gemeinde, er heiß Don Pietro.
Er sagt mir, daß ich böse bin. Was habe ich gemacht, daß du
mir so was sagst? Er zeigt mir nach oben zum Himmel. Was habe ich denn getan,
daß du mir so was sagst? Ja, ich seh auf der linken Seite den Pfarrer
und auf der rechten Seite ist meine Mama da. Zwei starke Personen und ich seh
mich irgendwie mickrig dazwischen. Aber der Pfarrer antwortet gar nicht. Und
meine Mama sagt, weil ich nicht in die Kirche gehe. Ja, aber als Kind bin ich
immer in der Kirche gewesen. Ich versteh nicht ganz, was du meinst. Mama, ab
wann hast du das Gefühl gehabt, ich geh nicht mehr in die Kirche? - In
meiner Jugend.
Th: Spür mal was du machen möchtest, mit deiner Mama und dem Pfarrer.
Kl: Ja, das ist für mich ein komisches Gefühl, weil, irgendwie hab
ich sie lieb, aber dann weiß ich nicht, was ich überhaupt mit denen
anfangen soll.
Th: Sag ihnen das mal.
Kl: Dann kommen auch Bilder aus meiner Jugend, wo ich mich anders angezogen
habe und überhaupt anders gewesen bin, und dann hab ich nur Probleme gehabt.
Th: Ja, sei nochmal da, in deiner Jugend. Geh noch mal in eine Situation und
spür mal, wie das so für dich ist.
Kl: Also mir kommt da eine Situation hoch, mit meiner Mama hab ich da gestritten
und sie hat mir da vielleicht ei-ne auf die Backe gehauen, ich weiß nicht.
Th: Wie alt bist du da?
Kl: Ja, ich bin vielleicht dreizehn, vierzehn, fünfzehn.
Th: Sei jetzt mal in der Situation.
KI: In dieser Situation habe ich sie an den Beinen so mit meinen Füßen
getreten.
Th: Ja, mach das noch mal. - Die Klientin kann ihr Beine nur sehr schwer bewegen,
sie sind durch die Krankheit sehr steif. Sie strengt sich an und tritt mit den
Bei-nen. Die Therapeutin ermutigt sie weiter zu machen und einen Ton dazu zu
ma-chen und spielt Prozeß Musik ein. Die Bewegungen der Klientin werden
mit der Zeit etwas lockerer und sie kommt ins Schwitzen.
Kl: Ja, das Gefühl das wieder hochkommt als ich sie getreten habe. - Sie
tritt weiter mit den Beinen. - Das strengt an.
Kl: Und dann hat sie gesagt: du bist unverschämt, du bist böse, wie
kommst du denn auf so was. Und das sind genau die Worte, die ich eventuell auch
meiner Tochter sagen würde
Th: Sei mal unverschämt, sei mal böse, mach's mal weiter. - Die Klientin
tritt weiter mit den Beinen. Nach einer Weile:
Kl: Jetzt ist das Gefühl gar nicht so da, ich seh gar nichts mehr. Der
Pfarrer ist noch da eigentlich. Meine Mama ist ir-gendwie ein bißchen
da, aber nicht so groß wie vorher. Bißchen kleiner, aber die sind
noch da, die zwei.
Th: Sag dem Pfarrer das auch mal, daß du böse bist, böse sein
darfst.
Kl: Ja, Don Pietro, ich bin böse und ich darf böse sein. Peng, peng,
der gibt eine Kopfnuß auf den Kopf.
Th: Ja, gib ihm auch eine, laß dir das nicht gefallen. Hau ihm eine auf
die Mütze, das brauchst du dir nicht gefallen lassen.
Kl: (nimmt den Stock und schlägt) Ich darf böse sein. Ich bin, was
ich bin! Laß mich endlich in Ruhe. Du und meine Ma-ma, immer sagt ihr
mir, was ich tun soll. Laßt mich endlich in Ruhe! - Der bewegt sich keinen
Meter, das ist ja verrückt. Der Schatten, also er, ist immer noch da. Ich
kenne die Situation, es gibt manche Bil-der, die kriegst du nicht los. Der ist
da und ganz cool.
Th: Das berührt ihn gar nicht? Was möchtest du machen, daß du
ihn klein kriegst? Oder wen kannst du dir holen, der dich unterstützen
kann? Deinen Lö-wen vielleicht? Aber der ist zu brav, oder?
Kl: Nee, der Pfarrer ist immer noch da, es passiert nichts.
Th: Ja, der hat eine ganz große Macht in dir. - Die Therapeutin schlägt
verschiedene Möglichkeiten vor: Vom Tiger zer-reißen lassen, von
einem Berg runter schmeißen, Dynamit unter den Hintern machen ...
Kl: (lacht) Ja, so böse bin ich auch nicht.
Th: Macht nichts, ist doch kein Problem, du darfst böse sein. Sei doch
mal ganz, ganz böse.
Kl: (lacht) Ja, also, jetzt bin ich ein Sa-dist. Ich stelle mir also vor, den
Mann da auf dem Berg und den schmeiß ich jetzt runter und der rollt und
rollt und rollt runter. Ah, jetzt ist er angeknallt.
Th: Ja, laß ihn ruhig mal.
Kl: Ja, aber er vermittelt dann wieder so ein Gefühl von böse sein
in mir.
Th: Ja, aber du darfst böse sein.
Kl: Im Moment auch, wo ich so brutal bin?
Th: Klar, du darfst böse sein, du hast ihm das auch gesagt, du darfst böse
sein. Spür mal, wie sich das anfühlt für dich, wenn du mal so
richtig böse bist, und das mal ein bißchen auch genießen kannst.
Kl: (lacht) Ja, also meine Vorstellung ist ja ganz brutal. Ich nehm ihn und
hau ihn gegen die Berge.
Th: (reicht ihr den Stock) Ja, hau ihn gegen die Berge. (Prozeß Musik
wird eingespielt)
Kl: (schlägt mit dem Stock, macht einen Ton dazu.) Nach einer Weile: Na
ja, zumindest eins habe ich erreicht. (lacht) Seine Nase. Ich wollte peng, peng,
und seine Nase immer gegen die Wand. (lacht)
Th: Was ist jetzt mit ihm, ist er kleiner? Ist er noch da?
Kl: Ja, irgendwie, aber der ist so ein kleiner Schatten
Th: Dann hat er seine Autorität doch et-was eingebüßt. Wie fühlt
sich das an für dich?
Kl: Gut. Aber meine Mama ist noch da so ganz. Die steht da und kuckt noch dazu
zu, was ich da für Sachen mache.
Th: Sagt sie noch, daß du böse hist, oder darfst du jetzt böse
sein?
Kl: Nee, die kuckt mich immer so ein bißchen schief an und sagt: naja
typisch, immer nur Blödsinn im Kopf.
Th: Wie ist das für dich, wenn sie dich so schief ankuckt?
Kl: Ja, ich fühl mich gar nicht so gut. So miserabel.
Th: Willst du es ihr auch noch mal zeigen, daß du böse sein darfst
und das sich das gut anfühlt, wenn du böse bist?
Was möchtest du mit ihr machen, um ihr das mal so richtig zu zeigen?
Kl: (lacht) Da muß ich mich total überwinden. Also, wie gesagt, in
mir ist der Sadist auch, nicht? Also ich bin auf ihrem Rücken, sie krabbelt,
dann zieh ich sie an den Haaren. (lacht) Brutal, nicht? - Die Therapeutin gibt
ihr ein Handtuchzipfel und zieht auf der anderen Seite; ermutigt die Klientin,
kräftig zu ziehen. Die Klientin versucht, ihre Kraft hinein zu legen. -
Ich darf böse sein, ich darf meine Gefühle zeigen. - Die Klientin
gerät außer Atem, lacht. - Sie krabbelt weiter vor sich hin, sie
kuckt mich nicht mehr an. Sie geht wie ein Hund. - Sie ist verschwunden. - Die
Klientin atmet tief durch.
Th: Wie fühlt sich das an für dich?
Kl: Also die zwei Bilder sind weg.
Th: Wie fühlst du dich?
Kl: Also etwas befreit, eigentlich. Aber der Druck auf dem Magen ist noch da,
bißchen. Nicht mehr so stark wie vorher aber ...
Th: Ja, magst du dich mit ihm noch ein bißchen beschäftigen?
Kl: Ja. Magen, woher kommt der Druck? Was drückt da? Ja, ich seh lauter
Steine, wie für Häuser. Ja, und jemand, der was baut. Eine Wand. Wer
bist du, der baut? Ich höre: das bist du.
Th: Ja, du selber baust dir deine Mauer, ist das so? - Die Klientin bejaht.
- Für was brauchst du denn die Mauer?
Kl: Für was brauche ich die Mauer? Lächerlich: um durchzubrechen.
Also dann seh ich ein Loch in der Mauer. Aber wozu? Ich gebe mir die Mühe,
etwas zu bauen, um dann durch zu brechen. Das ist ja lächerlich, Das paßt
wahrscheinlich zu meinem Charakter.
Th: Das heißt vielleicht auch, du brauchst die Krankheit für irgendwas,
damit du wieder die Freiheit spürst.
Kl: Das könnte sein, aber das paßt mir nicht so richtig.
Th: Ja, spür mal, was möchtest du machen?
KI: Also jetzt ist das Loch, und ich geh durch das Loch.
Th: Wo kommst du hin, wenn du durch gehst?
Kl: Ja, genau, das ist so wie eine Wand, ein Loch, und dahinter ist eine Wiese.
Th: Ja, geh mal auf die Wiese. Wie ist das dort?
Kl: Ja, da sind Leute, die sitzen da oder liegen. Und da leg ich mich auch hin,
ganz locker.
Th: Wie fühlt sich das an, wenn du da liegst auf der Wiese?
Kl: Ja, das ist auch das Gefühl der Freiheit, eigentlich.
Th: Ja, dann spür mal, wie schön das ist, wenn du die Mauer durchbrochen
hast und das Loch da drin ist und du dann in die Freiheit gehen kannst, wie
schön sich das anfühlt für dich. - Musik wird eingespielt.
Kl: Ja, ich genieße einfach. Ich fühle mich wohl. Ja, und dann im
Hintergrund kommt immer ein Hund. Ein Schäfer-hund. ich kenne den als Kind,
der hat uns immer in den Kindergarten begleitet. Was willst du hier, Hund? Was
willst du von mir?
Th: Ist das ein gutes Gefühl, wenn er da ist?
Kl: Ja, es ist ein gutes Gefühl. Ich fühle Gehorgenheit, aber auch,
man weiß nicht, welche Reaktion er plötzlich zeigt.
Th: Hast du dich schon mit ihm angefreundet, kannst du ihn anfassen?
Kl: Nein, das ist ja das. Ich möchte ihn anfassen, streicheln auf der einen
Seite, auf der rechten Seite, und auf der linken Seite ist er aggressiv.
Th: Versuch doch einfach mal, ihm näher zu kommen, es ist auch deine Energie
in dir.
Kl: Warum bist du zum Teil aggressiv?
Th: Spür mal, ob das sowas ist, was auch in dir ist, da ist auf der einen
Seite so ein bißchen Sadismus, Aggressivität, auf der anderen Seite
bist du aber auch lieb und brav und möchtest gar nicht böse sein.
Kl: (lacht) Ja, so bin ich auch.
Th: Also siehst du, so darfst du sein, das gehört dazu. Aber du hast es
in der Hand, das zu zeigen, was du willst. Du hast vorhin deinen Sadismus ein
bißchen rausgelassen und das hat sich gut angefühlt, und das darfst
du auch. Und der Hund in dir hat auch beide Seiten.
Kl: Also irgendwie habe ich das Gefühl, ich umarme den Hund.
Th: Und vielleicht kannst du ihm so was sagen wie: wenn du es ihm erlaubst,
aggressiv zu sein, dann darf er das auch zeigen, und wenn du es ihm nicht er-laubst,
dann darf er brav sein. Und spür mal, ob er damit einverstanden ist.
Kl: Also ich habe ihn so gern gehabt, aber irgendwie seine aggressive Seite
ist bißchen stärker als die liebe.
Th: Ja, das ist schon in Ordnung. Es geht nur darum, daß du die Herrschaft
hast, Und er darf seine aggressive Seite auch zeigen, wenn du es ihm erlaubst.
Kl: Du darfst deine Aggression erst zeigen, wenn ich es dir erlaube und du darfst
auch lieb sein, wenn ich es dir erlaube. Ja, er macht den Kopf so wie ein Hund,
den Kopf nach vorne.
Th: Signalisiert er dir, daß er dir ge-horcht? - Die Klientin bejaht.
- Ja, das ist in Ordnung.
Kl: Das heißt, du machst, was ich dir sa-ge? (lacht) Jetzt dackelt er
hinterher. (lacht). Der ist erst mal so ein Stückchen weg gegangen. Das
ist komisch, der ist weg gegangen, aber auf der linken Seite ist noch das Gesicht
von dem Hund. Das fühlt sich zwiespältig an.
Th: Ja, das ist noch nicht so ganz eindeutig. Dann hoI ihn doch noch mal her.
Das mußt du ihm noch mal ganz klar machen.
Kl: (bestimmt) Also, du darfst aggressiv sein, wenn ich das sage. Irgendwie,
der kuckt mich so an, als wenn er sagt: ja, was willst du denn überhaupt?
Th: Vielleicht mußt du ihm deine Aggres-sivität auch mal zeigen.
Daß du doch auch die Stärke hast, daß du die Herr-schaft über
ihn hast.
Kl: Oh ja. So, jetzt hau ich dich auf den Kopf. So lernst du endlich.
Th: (gibt ihr den Stock) Ja, mach's gleich.
Kl: Du bist da und du willst nicht so ganz machen, was ich will. Und jetzt kriegst
du auf den Kopf. - Die Klientin schlägt mit dem Stock. - Du machst jetzt,
was ich will!!! Deine Aggressivität zeigst du nur, wenn ich will. Du brauchst
mich nicht so böse ankucken. lind jetzt kriegst du noch eine!!! Also, sein
Schatten ist irgendwie weit weg jetzt. Aber es ist wieder so, er ist weggelaufen,
aber es ist immer noch da.
Th: Frag ihn mal, was das bedeuten soll.
Kl: Wie brutal! (lacht) Jetzt baut er mich auf den Kopf. (lacht)
Th: Das läßt du dir gefallen? Ich glaub, der braucht noch ein paar
von dir.
Kl: Oh, du hast mich so müde gemacht, du Kerl.
Th: Ach, der wartet nur, bis du so richtig müde bist, damit er dich auf
den Kopf hauen kann?
Kl: Ja, genau.
Th: Ja, da mußt du wohl noch was unternehmen. Vielleicht holst du dir
noch jemanden dazu.
Kl: Ja, genau, mein Löwe, der könnte eigentlich auch was tun, der
hat fast noch gar nichts gemacht. - Löwengebrüll wird eingespielt.
- Löwe, hilf mir jetzt gegen diesen Hund, daß der macht, was ich
will. Mach das! Das ist komisch. Das ist richtig eine komische Situation. Der
Löwe, der ist immer bei mir, der hilft mir und macht, was ich will. Aber
der Hund, der kuckt nur zu und da passiert auch gar nichts. Da gibt es immer
irgend jemand, der da steht und nichts tut. Ja, was mache ich mit dem, denn
der Schatten ist noch da.
Th: Frag mal den Hund, was du machen mußt, damit er dir gehorcht.
Kl: (Spricht den Hund an.) Was? Ich muß dann in die Erde reingraben.
Th: Ah ja, mach das mal. Kuck mal, was dann passiert.
Kl: (atmet) Mir kommt eine gewisse Angst hoch. Ich seh die Erde, aber in den
Ecken seh ich auch Blumen. Blumen, was macht ihr da unter der Erde. Das ist,
ich habe umgegraben, und die sind da unter der Erde. Und die Blumen, die ha-ben
schöne Farben, weiß, und lila. Wa-rum wachst ihr da unter der Erde?
- Ich muß es wissen, sage sie. - Wieso muß ich es wissen? Ich weiß
es nicht.
Th: Frag mal den Hund. Er hat dir ja gesagt, du mußt in der Erde graben.
Kl: Hund, warum unter der Erde? - Ja, aber die Blumen wachsen da. Ist es eine
Höhle? Ja. In der Höhle ist auch Wasser.
Th: Ah ja, geh mal hin, schau mal rein.
Kl: Ja, das Wasser springt raus, einfach so aus der Erde. Wie ein Springbrunnen,
aber ohne Brunnen. Ja, das Wasser ist eine Reinigung. Aber von was? Der Hund
kuckt nur in die Erde rein. Er vermittelt mir das Gefühl: das kapierst
du nie. Der Hund kuckt nur in die Erde, sonst nichts. Ich muß wohl weiter
in die Erde gehen.
Th: Frag ihn mal, ob du das heute erledigen mußt, oder ob das ein Prozeß
ist, der sich entwickeln mußt.
Kl: Ja, der Hund kratzt so mit den Pfoten, und jetzt ist er weggerannt. Jetzt
ist er weggerannt.
Th: Was für ein Gefühl ist das, wenn er jetzt weggerannt ist?
Kl: Ja, ich habe so ein Gefühl, alle lassen mich alleine, genau in dem
Moment, wo ich dann grade an der Grenze bin. Weiß ich nicht so genau,
dann verschwinden die einfach. Der Löwe ist sowieso schon längst verschwunden,
der macht nur sei-ne Arbeit. Der Hund, der hat auch keine Lust zu kommen. Das
ist ein blödes Gefühl, daß ich dann immer die Verant-wortung
dann tragen muß, für meine Ge-fühle, daß ich nicht weiß,
wie ich die weiter führen soll. Daß ich selber die Verant-wortung
habe für mein Leben und meine Gefühle, das weiß ich, aber ich
weiß nicht, was ich machen muß.
Th: Dann geh noch mal in die Erde hinein.
Kl: Jetzt eß ich die Erde sogar, aus Ver-zweiflung.
Th: Ja, iß ruhig mal die Erde. - Die Klientin lacht. - Nimm sie in dich
auf. Wir brauchen alle die Erde, wo wir unsere Wurzeln haben, daß wir
wachsen können. - Was macht das mit dir, wenn du die Erde in dich auf nimmst?
Kl: Ich habe mich einfach in der Erde rum geschmissen.
Th: Und wie geht es dir da?
Kl: Ja, eigentlich geht es mir gut. So ein Gefühl von Geborgenheit.
Th: Laß das Gefühl von Geborgenheit mal in dir groß werden.
Und spür auch, daß die Erde dich aulhimmt. - Musik wird eingespielt.
Th: Dann geh doch vielleicht noch mal zurück in deine Tür, in den
leeren Raum, den du aufgemacht hast und schau mal, ob sich was verändert
hat.
Kl: Ja, der Raum ist noch leer, aber da sind Blumen an den Wänden. Ja,
und die Blumen die haben immer diese weiße, lila und blaue Farbe. Aber
sonst ist der Raum leer. - Ich habe das Gefühl, ich bin müde und es
ist ok. heute - für mich.