Peter Schellenbaum: Psychoenergetische Therapie |
Peter
Schellenbaum wurde am 30. April 1939 geboren, studierte zunächst katholische
Theologie und übte den Priesterberuf eine Zeitlang aus. Im Verlauf seiner
späteren beruflichen Entwicklung gab er das Priesteramt gänzlich auf.
Er absolvierte eine Ausbildung zum Psychoanalytiker am C.G. Jung Institut in
Zürich. Nach Jahren als dortiger Studienleiter gründete er 1992 in
Tessin sein Institut für die von ihm entwickelte Psychoenergetik.
Aus einem Interview in „Psychologie heute“, Sept. ‘93:
(PS = Peter Schellenbaum, PH = Psychologie heute)
PH: Worin unterscheidet sich ihr Therapieansatz von anderen
körpertherapeutischen Verfahren?
PS: Zunächst einmal: Psychoenergetik ist nicht nur ein
körperorientiertes Verfahren, sondern bezieht alle menschlichen Ausdrucksformen
mit ein. Außerdem: Inhaltlich gesehen gibt es gar nichts Neues in meiner
Arbeit. Ich bin jungianischer Psychoanalytiker, habe mich mit Bioenergetik befaßt,
mit Biodynamik, mit Primärtherapie, mit Psychodrama, auch mit Meditation,
mit Tai Chi und vielem anderen mehr. Das alles ist in meine Arbeit mit eingeflossen.
Aber eines unterscheidet nun meine Methode von all diesen Methoden: Ich mache
nie eine Vorgabe, ich interveniere nie. Ich achte vielmehr auf das, was ich
Energiesignale nenne.
PH: Was verstehen Sie unter einem Energiesignal?
PS: Ein Energiesignal ist ein Zeichen dafür, daß
sich in einer bestimmten Ausdrucksform in diesem Moment am meisten Energie verdichtet.
Zum Beispiel wird die Stimme auf einmal ausdrucksvoller, der Körpertonus
ändert sich, die Augen glänzen, der Atem vertieft sich, ein körperlicher
Schmerz taucht auf oder verstärkt sich, eine spontane Gebärde entsteht,
oder ein Symbol taucht auf. All diese Energiesignale sind zunächst einmal
unbewußt. Also der, der eine Geste ausführt, oder ein Wort ausspricht,
der merkt noch nicht, was er tut. Ich versuche ihm dann zu vermitteln, was er
tut, und zwar auf eine Weise, daß sein Spürbewußtsein einsetzt.
Spürbewußtsein ist die Hauptkategorie in meiner Arbeit. Es bedeutet
Wahrnehmung und Empfindung in einem und entsteht im Zustand leichter Trance,
wacher Versunkenheit. So entsteht eine Verstärkung des Energie-signals
und oft geschieht dann auf dem Höhepunkt ein Umschlag. Zum Beispiel ein
Umschlag von einem Wort in eine Gebärde hinein -das ist dann das nächste
Energiesig-nal, dem ich wiederum folge. So entsteht von Energiesignal zu Energiesignal
ein Prozeß, der schließlich vormals Unbewußtes bewußt
machen kann, oder besser: bisher noch nicht Gelebtes zum Leben bringt und eine
neue Bahnung in Fühlen, Denken und Verhalten schafft. Diesen Prozeß
nenne ich „Spontanritual“.
PH: Wenn man den Titel ihres letzten Buches liest - „Nimm
Deine Couch und geh“ - dann erwartet man eine Kritik an der Psychoanalyse.
Ist dieser Eindruck von Ihnen so gewollt? Wollen Sie den Klienten den Weg von
der Psychoanalyse hin zu einer anderen Form der Therapie zeigen?
PS: Der Titel heißt „Nimm Deine Couch und geh“
- also: Nimm Deine Couch mit. Es ist kein Buch, das grundsätzlich die Psychoanalyse
Freuds oder die analytische Psychologie Jungs kritisiert; vielmehr wird eine
Methode, die analytische Assoziationsmethode, erweitert auf alle Ausdrucksformen
des Menschen - seien es Worte, seien es Gebärden, eine bestimmte Körperhaltung,
eine Emotion, eine Vekrampfung, ein Traumbild, eine Erinnerung. Meine Art zu
arbeiten, ist eine Vervollständigung der Psychoanalyse oder der analytyischen
Psychologie, insofern, als nicht nur Worte und Bilder, sondern jedes Ausdruckmittel
verwendet und verfolgt wird, sofern es sich spontan gemeldet hat. Das drückt
sich auch darin aus, daß ich die Initiative für jeden Therapieschritt
dem Klienten überlasse. Ich interveniere nicht, mache keine bestimmten
Übungen, gehe nur soweit als jemand in einer bestimmten Situation zu gehen
bereit ist. Das ist ein weiterer, ganz wichtiger Unterschied zu allen Körper-
oder Verhaltenstherapien. Selbst wenn in manchen Therapien, wie z.B. der Bioenergetik
spontane Ansätze respektiert werden, so wird doch immer wieder auch interveniert.
PH: Sie schreiben, Sie hätten ein anderes Verständnis
von der Rolle des Therapeuten.
PS: Ich bezeichne mich als Regieassistent. Die Regie führt der Klient im Zustand spürbewußter Zentrierung, und ich assistiere, indem ich ihn auf gewisse Dinge aufmerksam mache, die bei ihm geschehen und die er nicht bemerkt. Dann trete ich wieder zurück, und lasse die Sache laufen. Wenn ich merke, daß bei ihm ein neues Energiesignal auftaucht, mache ich ihn darauf aufmerksam, allerdings nicht von einem Beobachterposten aus, sondern in spürender Resonanz. ... Seit ich auf diese Weise arbeite, haben sich meine Therapien sehr verkürzt.... . Psychoenergetik ist dennoch keine Kurztherapie. Ich will nicht sehr schnell einen Effekt, eine Verhaltensänderung erzielen, sondern es ist ein organischer Reifungsprozeß des Klienten selber. Wie lange dieser Prozeß dauert, ist natürlich individuell unterschiedlich.
Literaturempfehlung:
Peter Schellenbaum:
„Nimm Deine Couch und geh!
Heilung mit Spontanritualen“
Verlag: dtv, München
Weitere Bücher von Peter Schellenbaum:
- „Die Wunde der Ungeliebten“
- „Abschied von der Selbstzerstörung“
- „Das Nein in der Liebe“
- „Gottesbilder“
- „Tanz der Freundschaft“
- „Homosexualität im Mann“
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