Zysten und Erkenntnisse (198)
Der Klientin geht in dieser Sitzung ein ganzer Kronleuchter an Erkenntnissen auf - wie sie sagt: Ich dachte immer, die Welt sei gegen mich, dabei war ich gegen die Welt ...
Kl: Ich liege im Bett im Krankenhaus.
Th: Okay, dann sei mal jetzt dort und erzähl mir mal, was du dort wahrnimmst.
Kl: Ich liege im Bett und habe ein weißes Hemd vom Krankenhaus an. Hans
ist da, besucht mich.
Th: Wie alt bist du da?
Kl: Etwa 28 ... 29.
Th: Ist das diese Operation? - Klientin bejaht. - Wie fühlst du dich da?
Kl: Ganz schön mies.
Th: Was ist das für ein Gefühl?
Kl: Hans hat wieder nicht mein Nachthemd mitgebracht ... meine Wäsche von
zu Hause.
Th: Ist es das, weshalb du dich so mies fühlst? - Auch. - Erzähl ihm
doch einmal davon, sag ihm das doch mal.
Kl: Bei mir haben sie alles rausgenommen, unten. Ich komme mir so halb vor.
Ich komme mir wie ein halber Mensch ... und zwar als wenn es für einen
halben Menschen nicht mehr wert wäre, Wäsche mitzubringen. - Sag es
ihm! - Er hört mir gar nicht zu, er ist mit den Gedanken ganz woanders.
- Sag ihm das! - Hans, du hörst mir ja gar nicht zu, du bist ganz abwesend.
Ich erzähle dir, wie ich mich fühle, und dich interessiert es überhaupt
nicht. - Reagiert er auf dich? - Nein, er guckt auf die Uhr.
Th: Was löst das in dir aus? - Klientin stöhnt - Was für ein
Gefühl kommt da hoch?
Kl: Er hält’s bei mir nicht aus! - Sag es ihm! - Hälst du es
nicht aus, hier im Krankenhaus? Kannst du mich nicht mehr sehen? Du bist doch
erst fünf Minuten hier! Warum guckst du denn auf die Uhr? - Ja schau, was
macht er? - Er verbirgt mir etwas. - Sag es ihm! - Du sagst nichts, du verheimlichst
mir doch etwas. - Pause - Er steht auf: „Ich komm morgen wieder, ich muß
jetzt fahren.“ Ich kann gar nicht richtig sagen, wie es mir geht, er fragt
gar nicht. - Sag es ihm! - Hans, du fragst ja gar nicht, wie es mir geht und
wie ich mich fühle ... Du hast es so eilig, was ist denn los? - Ich krieg
ja keine Antwort, er geht dann eben.
Th: Halt ihn zurück, er soll dir antworten. Du mußt ihn nicht gehen
lassen. Du kannst es einfordern.
Kl: Das kommt doch später dann. Ich bin noch zu schwach und zu schlapp
von der Operation, um darum zu kämpfen, daß er da bleibt. - Sag es
ihm! - Ich hätte gern, daß wir uns noch unterhalten, aber ich bin
zu schlapp, um es einzufordern. Vielleicht wenn du morgen wiederkommst, dann
.... Ja, er geht, er ist weg ... und ich liege da mit meinem leeren Bauch und
mit meiner breiten Narbe, meiner Wunde.
Th: Spür mal in deinen Bauch rein. Und atme dazu.
Kl: Es tut alles noch so weh. Ich bin ganz dumpf vor Schmerzen. Ich komme mir
vor wie so ein ausgehöhltes, altes Wrack! - weint.
Th: Spürst du deinen Bauch? ... Spür in ihn hinein.
Kl: Mein Bauch fühlt sich an, wie ein einziger Schmerzklumpen, der innen
hohl ist. - atmet schwer.
Th: Sag das mal deinem Bauch, rede mit ihm.
Kl: Bauch, du gefällst mir überhaupt nicht. - atmet schwer und stöhnt
-
Th: Ja, drück es aus.
Kl: Du machst mir nur Schmerzen, mit der großen breiten Narbe, die von
einem Knochen zum anderen geht. Alles tut so weh darin, obwohl da doch gar nichts
mehr drin ist. ... Ich versteh das alles nicht.
Th: Frage mal deinen Bauch, was da drinnen alles los ist?... Der müßte
dir weiterhelfen können!
Kl: Es ist doch alles zugenäht, ein dicker Wulst, jede Decke ist einzeln
zugenäht, jede einzelne Naht. Da sind ganz viele Schichten übereinander,
und alle sind sie zugenäht. - stöhnt -
Th: Laß dir mal von deinem Bauch zeigen, was da los ist.
Kl: Das ist alles abgeschnitten, da drin. Und da waren noch Verwachsungen im
Oberbauch von einer Gallenblasenoperation. Da war alles so verwuchert, alles
mußte weggeschnitten werden. Die Operation hat so lange gedauert, fünf
Stunden. Sie haben nichts gesehen. Durch den Bauchnabel haben sie etwas durchgestochen
mit einer Kamera dran. Da haben sie versucht etwas sehen. Aber das war alles
undurchsichtig, da waren überall Berge, an die man angestoßen ist
und nichts sehen konnte. Knoten und Berge und Hügel. - stöhnt - Da
mußten sie dann wieder raus und doch aufmachen. Und dann war da drin alles
verwachsen ... und dann diese dicken Blasen, im ganzen Bauchraum. In der Gebärmutter
und außerhalb. Und an dem einen Eierstock ... da waren überall diese
Zysten. Die waren so dick, die haben schon gegen die Bauchdecke gestoßen,
man konnte die Ausbuchtungen schon sehen, wie so eine Apfelsine. Meine Bauchdecke
war ganz hügelig, schon von außen zu sehen.
Th: Jetzt laß dir doch einmal von deinem Bauch zeigen, weshalb diese Zysten
entstanden sind. Die sind ja nicht ohne Grund entstanden, wie du inzwischen
schon weißt, wie alles, was da passiert in dir. Laß dir also mal
von deinem Bauch zeigen, was es mit den Zysten auf sich hat.
Kl: - stöhnt - Weiß ich doch nicht.
Th: Laß es dir zeigen von deinem Bauch, er weiß es.
Kl: - stöhnt - Ich weiß es nicht. Weil die Ehe nicht mehr so gut
war ...
Th: Okay, schau mal, welche Situation jetzt auftaucht.
Kl: Die Musik ... - Was nimmst du wahr? - Ich habe doch einen Musiker geheiratet.
Ich wußte doch, daß er Musik macht, daß Musik sein ein und
alles ist.
Th: Und was war trotzdem, womit kamst du nicht klar?
Kl: Es ist immer weniger so wie am Anfang, als alles noch so schön war
in der Beziehung.
Th: Ja, schau mal, was hat sich verändert, mit was kommst du nicht klar?
Kl: Jetzt habe ich ein Ziehen im Bauch da, wo die Gebärmutter war. Ist
das nicht komisch?
Th: Klar, du beschäftigst dich damit. Laß es dir mal zeigen, laß
es sich mal umsetzen in ein Bild.
Kl: Es drängt ihn immer mehr zur Musik ... wir werden ihm langsam lästig,
die Kinder und ich. Er würde am liebsten nur noch Musik machen und nicht
mehr in der Fabrik arbeiten gehen. Und das merke ich ganz genau. Er macht es
für uns, für den Lebensunterhalt.
Th: Sag ihm doch einmal, daß du das wahrnimmst.
Kl: Ich weiß ja, daß du für uns arbeiten gehst. Das muß
doch sein. Die Kinder sind da ... tja, er würde lieber Musik machen. -
atmet schwer -
Th: Ja, was ist das in dir, was passiert da? - Pause - Merkst du, wie du festhältst?
Kl: Wenn er aus der Arbeit kommt, muß er sich hinlegen - nicht ins Schlafzimmer,
nein, ins Wohnzimmer! Wenn die Kinder reinkommen, muß ich sie ruhig halten,
damit er schlafen kann.
Th: Sag ihm das, was es mit dir macht.
Kl: Er gibt mir das Gefühl, daß er mich und die Kinder immer mehr
aus seinem Leben drängt. - Sag es ihm! - Du denkst nur an dich. Die Kinder
sind doch auch noch da. Die freuen sich, wenn du nach Hause kommst. Die wollen
mit dir spielen, die wollen etwas mit dir unternehmen! Aber dafür hast
du keine Zeit. Das finde ich nicht richtig, das finde ich nicht in Ordnung.
Wenn aber irgend so ein Musiker anruft, dann springst du! Dann ist deine Müdigkeit
wie weggeblasen, das sehe ich ganz genau.
Th: Was ist so schlimm daran für dich? Erzähl mal, was dir diesen
Schmerz verursacht.
Kl: Das ist nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe. - Sag es ihm! - Du
bist nicht mehr der, den ich mal geheiratet habe. Als es uns so schlecht ging,
als du kriminell geworden bist, da bin ich für dich durch dick und dünn
gegangen. Da hätte ich auch sagen können: mit dem will ich nichts
mehr zu tun haben. Aber ich bin für dich durch dick und dünn gegangen.
Und jetzt, wo wir dich brauchen, die Kinder und ich, da entziehst du dich langsam
immer mehr. Ja ... ich fühle mich betrogen! - Sag es ihm - Ja, ich fühle
mich betrogen. Als es uns wirklich schlecht ging, als wir von der Hand in den
Mund gelebt haben, da habe ich zu dir gehalten. Das Gleiche verlange ich jetzt
auch von dir! Aber du gibst es nicht. Du machst, was du willst. Du entziehst
dich deinen Pflichten und Verantwortungen. Ja, das Gefühl macht mir zu
schaffen.
Th: Schau mal, wie er reagiert. - lange Pause, Klientin atmet schwer-
Kl: „Ja, wir können ja nächste Woche etwas unternehmen, da brauche
ich nicht zu spielen. Du profitierst ja auch von dem Geld, das ich damit verdiene.
- Aber ich merke schon ganz genau: es geht gar nicht mehr um das Geldverdienen,
es geht ihm darum - das erkenne ich ganz deutlich - es geht ihm darum, Musik
zu machen!
Th: Aber was ist so schlimm daran? Er will Musik machen. Was ist so schlimm
für dich? Du hast einen Musiker geheiratet, hast du gesagt.
Kl: Er steht nicht mehr so zu seiner Familie.
Th: Was willst du, was brauchst du?
Kl: Daß er sich um die Kinder kümmert, daß er mit mir, mit
uns mehr unternimmt. Daß er uns mehr wahrnimmt, nicht die Musik in den
Vordergrund stellt.
Th: Er stellt die Musik vor dich. - bejaht - Spür einmal, was so schlimm
daran ist für dich. Was für ein Gefühl ist da?
Kl: Mit der Musik ist er glücklich, mit mir nicht - anscheinend. - Frage
ihn mal! - Die Musik macht dich wohl glücklicher als ich dich?! „Musik
ist mein Leben,“ sagt er.
Th: Ja, die Musik steht an erster Stelle. Aber was ist so schlimm für dich?
Kl: Ich wußte nicht, daß sich das so entwickelt.
Th: Was ist so schlimm für dich, daß die Musik an erster Stelle steht?
Was brauchst du von ihm, was willst du? Spür es mal, oder was ist dein
Mangel? - stöhnt schmerzgequält - Atme mehr! Schau ihm mal zu, wie
er Musik macht.
Kl: Das kann er gut. - stöhnt wieder sehr -
Th: Atmen! Du hälst die Luft an.
Kl: Ich will nicht erkennen, daß ich eifersüchtig bin auf die Musik.
Es ist so, aber ich will es nicht sagen. - Sag es doch mal! - Ich würde
gern sein Schlagzeug sein! - lacht - Das pflegt er, putzt er, wenn was daran
ist, dann repariert er ...
Th: Sei mal sein Schlagzeug.
Kl: ...da führt er eine zweite Welt. Aber ich bin doch ein Mensch, und
das ist nur ein toter Gegenstand.
Th: Es ist aber sein Leben, sein Lebensinhalt. Was brauchst du von ihm? Du bist
ei-fersüchtig, wie du sagst, welcher Schmerz kommt da hoch? Schau mal,
was du machen willst?
Kl: Am liebsten will ich sein Schlagzeug kaputt machen!
Th: Genau, das ist es nämlich, das ist die Energie ... und da ist der Schlagstock!
Kl: Dem würde ich am liebsten sein Schlagzeug zertrümmern...
Th: Ja, dann tu es jetzt! Und guck was passiert.
Kl: ... daß er Zeit hat für mich ... ich weiß was passiert,
ich brauche es gar nicht zu zertrümmern.
Th: Sag es ihm: hab Zeit für mich! Drück es aus!
Kl: - schlägt mit dem Dhyando - Immer nur die Musik ... und die Kinder
und ich müssen sehen, wo wir bleiben! Guck doch mal her, wir brauchen dich
doch auch, nicht nur immer das blöde Schlagzeug. Das ist doch nur Fell
und Blech und Eisen. Und das pflegst du so, wie du mich pflegen solltest. Ich
schlag dein Schlagzeug in tausend Stücke bis nur noch ein Haufen Müll
überbleibt. Dein Scheißschlagzeug und das Mikrophon ... alles muß
glänzen .....
Th: Was ist jetzt?
Kl: Ja, jetzt ist es mal raus! - längere Pause - Bin ich eigentlich bescheuert:
ich bin eifersüchtig auf ein Schlagzeug? - lacht herzhaft -
Th: Red doch noch einmal mit dem Schlagzeug.
Kl: Blöder Haufen Blech, hier. - Ja, red mit ihm! - Ich bin doch viel mehr
Wert als ein Haufen Blech!
Th: Schau mal, wie es reagiert. Was macht das Schlagzeug jetzt?
Kl: Ist tote Materie, liegt jetzt in der Ecke.
Th: Jetzt hol mal den Hans dazu. Schau, was er macht?
Kl: Jetzt weiß er, daß ich eifersüchtig bin auf das Schlagzeug.
Th: Was macht er daraus?
Kl: Er ist wütend, das hat doch viel Geld gekostet. „Oh, was hast
du mit dem Schlagzeug gemacht!“ Ich war eifersüchtig auf das Schlagzeug,
deshalb habe ich es zerdeppert. „Was, du warst eifersüchtig auf das
Schlagzeug? Das gibt es doch überhaupt nicht!“ Doch, weil du so viel
Zeit damit verbringst. - Was sagt er dazu? - „Das darf doch wohl nicht
wahr sein! ... Du benimmst dich wie ein unreifes Kind! - Hat er recht? - Na
klar hat er recht!
Th: Sag es ihm!
Kl: Klar, du hast recht.
Th: Spür mal, was du von ihm willst, wenn du ein unreifes Kind bist.
Kl: Ich wollte seine Aufmerksamkeit.
Th: Schau mal, wer da noch stehen könnte? Geh mal in die eigene Situation.
Kl: Ich weiß es ja jetzt. Ich hatte immer die Kinder und er sein Schlagzeug.Und
das hat mir nicht gepaßt. Ich wollte auch Freiraum, wollte irgendwie etwas
haben. - Sag es ihm! - Ich wollte auch etwas haben! Ich hatte nur die Kinder
und konnte nicht viel anderes machen, als mich mit den Kindern beschäftigen,
weil sie noch klein waren. - Red mal mit den Kindern, zeig ihnen das mal. -
Tja, was soll ich denen sagen? Ich habe euch zwar gern, ihr beiden süßen
Scheißer, ich hätte aber gern auch mal etwas anderes gemacht als
immer nur Babysitter. - Schau mal, wie sie reagieren? - Mach doch etwas anderes,
hol doch Oma mal her!
Th: Was hälst du davon?
Kl: - lacht - Scheißspiel!
Th: Wieso Scheißspiel? Haben sie recht oder haben sie nicht recht?
Kl: Sie haben recht!!
Th: Na also! Spür mal: ist das so etwas, in das du dich hinein manövriert
hast ... Du saßt irgendwie da drin, hast aber auch keine Energie genutzt,
um irgend etwas zu verändern.
Kl: Genau, die Energie habe ich gegen mich gerichtet, wieder einmal! - Wie hast
du das gemacht? - Das weiß ich nicht ... indem ich es in mich hineingefresse
habe. Ich habe das Schlagzeug nicht zertrümmert, ich habe es in mich reingefressen.
Th: Und was ist da passiert? Schau mal in deinen Körper rein - in den Energiefluß!
Nimm mal wahr, wie du es in dich reinfrißt. Wie du die Energie, wie du
sagtest, gegen dich richtest.
Kl: Ja, da sind die Zysten eben gewachsen ... und immer größer und
immer größer.
Th: Und jetzt frag mal ganz klar diese Zysten, wo jede einzelne herkommt? Laß
es dir zeigen.
Kl: Es waren alles solche Situationen, glaube ich.
Th: Laß es dir zeigen! Geh zu einer dieser Zysten hin und laß dir
zeigen, wodurch sie gewachsen ist.
Kl: Sollen wir heute abend irgendwohin gehen, Hans? „Nein, geht nicht.
Wir ha-ben Übungsabend angesetzt.“ - Was machst du? - Ich schluck
wieder runter. Ich ärgere mich, aber schlucke runter. - Sag es ihm! Sag
es ihm jetzt! - Könntest du nicht einmal einen Abend mit mir gestalten?
Mußt du denn so oft üben? Mußt du vor uns flüchten hier
oder was ist das? Die neuen Stücke habt ihr doch erst vorgestern eingeübt.
- Zeig ihm, was in deinem Bauch passiert. - Jetzt gehst du wieder und ich steh
hier und schluck meinen Ärger runter! - Bist du wütend? - Nein, ich
zeige keine Wut. Ich bin nur nach innen wütend, im Bauch.
Th: Neben dir liegt der Schlagstock auf dem Boden.
Kl: Was soll ich denn jetzt zerschlagen?
Th: Ich weiß es nicht. Nun, willst du wieder die Wut gegen dich nach innen
richten? Soll sie da innen bleiben? Oder soll sie jetzt endlich raus?
Kl: Da müßte ich ja mich schlagen. Ich habe die Zysten nicht seinetwegen,
sondern meintewegen, das weiß ich ja jetzt.
Th: Okay, laß dich vor dir auftauchen, red mit dir!
Kl: - schlägt mit Dhyando auf den Boden - Du dummes, dummes Luder, du!
Du dummes Ding! Warum hast du das ganze Spiel nicht schon eher durchschaut?
Das hätte soviel Kummer und Leid erspart. ... Wie kann man nur so blöd
sein, so naiv, so .... wirst du endlich zur Vernunft kommen und dir nicht immer
selbst Schaden zufügen! ...
Th: Und weiter! Schau dich an! Da waren so viele Situationen, und du hast ge-schluckt
und geschluckt! Raus damit, ja ...ja ...! - Kl. schlägt lange und heftig!!
-
Kl: Ich habe jetzt keine Kraft mehr, ich kann nicht mehr.
Th: Schau hin - wie siehst du aus? ... Guck dich an! ...
Kl: Wie ein kleines Ding, das den Arsch voll gekriegt hat.
Th: Schau ihr mal in die Augen! - Pause, Klientin atmet schwer - Was ist da?
Schau ihr in die Augen, spür mal ...
Kl: Sie weiß, warum sie Dresche gekriegt hat. Das weiß sie ganz
genau. - Sag es ihr! - Du weißt genau, warum du Dresche gekriegt hast.
- Guck mal, wie es ihr jetzt geht? - Sie denkt: recht hattest du ja, ei-gentlich
schade um jeden Hieb, der daneben ging. - Solltest du noch einmal daraufhauen?
- Sie erkennt das ja, es ist gar nicht nötig. Der Schmerz ist gar nicht
so groß von den Schlägen. Sie ist eher verwundert, daß sie
es jetzt so deutlich erkennt. Ja, verwundert!
Th: Ja, geh mal mit ihr zum Hans, schau mal zu, wie er Musik macht.
Kl: Eigentlich ist sie ganz froh, daß er so sein kleines Hobby hat. Und
er singt ja wirklich gut! Schlagzeug spielt er fast so gut wie Charly Antonini,
das war der beste Schlagzeuger der Welt, damals. - Sag es ihm! - Hans, du bist
einer der besten Schlagzeuger, die ich kenne! ... und du brauchst Bewunderung
vom Publikum, das weiß ich. Den Beifall, das ‘Zugabe’-Rufen
... ich bin ja stolz auf dich. So einen interessanten Mann hat nicht jeder.
- weint heftig - ... daß du so sicher bist in allem was du machst und
du weißt immer, was du willst - weint - und ich nicht! Ich weiß
nicht, wo ich hin will. Ich fühl mich immer so vor den Karren gespannt:
mal vor diesen, mal vor jenen. Sie alle haben immer die Peitsche und ich hab
zu gehen.
Th: Wenn du Wut hast, dann laß sie raus. Und wenn du traurig bist, laß
die Traurigkeit auch da sein.
Kl: Nein, nein, das ist nur eine späte Erkenntnis. Jetzt, wo ich es weiß,
brauche ich das ja nicht mehr zu machen.
Th: Spür doch mal, ob du mit deinem eigenen Rhythmus dabei sein kannst.
Kl: Ich kann so viel, ich muß es nur ordnen.
Th: Guck mal, ob dein Rhythmus dort Platz hat. Schau doch mal, ob der einfach
Platz hat? Hans macht seine Musik in seinem Rhythmus, und du bist mit deinem
Rhythmus dabei ... ohne dagegen zu kämpfen.
Kl: Ich muß den mit der Peitsche hinter mir abschaffen. - Wer steht da
mit der Peitsche? - Ich meine das symbolisch: Otto damals in Bayern auf dem
Acker. - Sag es ihm! - Da ist eine Reihe Kartoffeln auszubuddeln. Otto (ihr
erster Mann) hat die in einer halben Stunde fertig, ich brauch eine dreiviertel
Stunde dazu.
Th: Ja, was ist so schlimm daran, sag es ihm doch!
Kl: Ich muß mich davon befreien, daß es mir etwas ausmacht, daß
ich länger brauche, auch wenn Otto sagt: wie lange brauchst du denn noch
für die Reihe? Weil er ist ja schon wieder in der zweiten. Und ich werde
nicht mehr hinterher hecheln! - Sag es ihm! - Otto, wenn ich dir helfen soll,
dann in meinem Rhythmus, dann bin ich bereit dazu und mache ich es gern. Aber
nicht, wenn du mit der Peitsche hinter mir stehst und sie schwingst und sagst:
schneller, schneller! Das mache ich nicht mit, da mußt du selber sehen,
wie du klar kommst mit deinen Kartoffeln. - Guck mal, ob er bereit dazu ist,
akzeptiert er? - Ja! Ich nehme ihm ja trotzdem etwas ab an Arbeit, braucht so
nicht alles allein zu machen, worüber er sich halt immer beklagt. - Pause
- Nur diese Viertelstunde, die ich länger brauche, die muß er mir
lassen. Wenn er sie mir nicht lassen kann, muß ich aufstehen und nach
Hause gehen. - Sag es ihm! - Wenn du mir diese Viertelstunde, die ich länger
brauche, nicht lassen kannst, Otto, dann muß ich gehen.
Th: Guck mal, wie er reagiert?
Kl: „Nein, nein, bleib hier! Mach es so, wenn es auch ein bißchen
länger dauert, ich bin ja froh, daß du da bist und mir überhaupt
etwas abnimmst.“ Aber warum nicht gleich so? Warum muß erst etwas
Schlimmes passieren, damit du meinen Rhythmus anerkennst!?
Th: Spür mal, ob du ihn dir selbst anerkannt hast. Wie kann er ihn denn
anerkennen, wenn du ihn nicht selber anerkennst?
Kl: Ich mußte hierher kommen, um mich hier selbst zu erkennen! Ich kannte
mich ja gar nicht.
Th: Geh doch jetzt mal nach Hause ... nächste Woche, spür mal, wie
es sich anfühlt ...
Kl: Ich geh nach Hause und merke: sie meinen es schon gut mit mir. Vor allem,
sie freuen sich, daß ich nach Hause komme. Was dann wird, das sehen wir
dann, bin ja kein Hellseher. Ich werde mich langsam wieder einfinden, zu Hause
einleben. Werde zu meiner Freundin gehen und gucken, ob sie ... das wird eigentlich
ganz spannend, wenn ich nach Hause komme ... - erleb es doch mal jetzt! - Ich
besuche meine Freundin Inge. Hallo Inge, da bin ich wieder! Inge umarmt mich:
„Ach, ist das schön, daß du wieder da bist. Wir haben uns solche
Sorgen gemacht“ Ich sag dir, ich zuerst auch. Aber das hat ganz schön
nachgelassen. Ich wußte nur, daß ich keine Chemotherapie will. Was
daraus wird? Ich glaub, das muß ich auf mich zukommen lassen. Auch mit
all seinen Ängsten. Aber ich habe Zuversicht, bin zuversichtlich. Inge
sagt: „Irgendwie hast du dich verändert. Ich kann nur noch nicht
sagen, wie?“ Ich schmunzel ein bißchen ... - lacht - naja, ich fühle
mich so gelassen, ich bin innerlich so ruhig. Ich habe das erlebt: ich bin riesige
Schritte gegangen, die anderen sind stehen geblieben. So sehe ich das. - Sag
ihr das doch mal! - Ich bin riesige Schritte gegangen, ich bin durch die Hölle
gegangen - und ihr seid irgendwo stehen geblieben in eurer alten Starre. Für
mich hat sich etwas geändert, für euch nicht. Das ist bei allen so,
denen ich begegne. Aber das macht nichts. Ich mag sie trotzdem herzlich gern
nach wie vor - Sag es ihr - Ich mag dich trotzdem so wie du bist. Ich weiß
ja, daß du nicht anders kannst. Dazu müßtest du das erleben,
was ich erlebt habe. Nicht die Krankheit, aber so eine Session. - Frag mal,
vielleicht hat sie ja Lust darauf? - Oh, ich weiß, daß Inge sie
ganz dringend braucht. Inge, du bräuchtest die ganz dringend, du hast ja
immer noch das gleiche Hick-Hack mit deinem Marc. Und noch nötiger braucht
es eigentlich Marc, aber der Feigling traut sich ja nicht. Ja, ich freue mich
schon auf zu Hause. Das ist wie ein neues Leben ... Ich sehe vieles viel klarer
und ich sehe die Leute auch klarer, ich durchschaue sie mehr. - Sag es ihnen
mal! - Ich durchschaue euch jetzt viel mehr. - Schau mal hin, was du jetzt siehst.
- Ich sehe, wie sie ihre Heuchelei krampfhaft aufrecht erhalten, dieser Schein
nach außen. Ich sehe die ganzen verkrüppelten Seelen dahinter.
Th: Ja, ... schau dir mal deine Seele an. Wie sieht die aus?
Kl: Meine hat sich wieder aufgerichtet. Sie liegt nicht mehr geschunden am Boden,
so wie ich hergekommen bin. Ein paar blaue Flecken sind noch, aber die gehen
auch noch weg. Das ist ja vielleicht gar nicht der Sinn der Sache, daß
man ganz ungeschoren davonkommt. Wenn da so ein paar blaue Flecken sind, die
sollen einen ja auch daran erinnern ... - Sag es ihnen mal. - Ich weiß
was du meinst, die Milz merke ich auch schon nicht mehr ... Ich habe es jetzt
angenommen . Milz, du störst mich nicht mehr, du bedrückst mich nicht
mehr, du bist einfach da und ich streichel dich. Ich nehme dich jetzt so, wie
du bist ... und das andere auch alles da drinnen. Jetzt habe ich mehr Vertrauen
in meine inneren Helfer. Ich weiß genau was damit gemeint ist: aus dem
inneren Chaos eine neue Ordnung entstehen zu lassen.
Th: Schau dir mal dein Chaos oder deine Ordnung an. Welcher Zustand ist da in
dir.
Kl: Da ist schon etwas wieder eingeordnet, aber noch nicht alles, glaube ich.
- Schau mal hin. - Da sind noch so Stücke, die wissen nicht genau, wo sie
hin sollen.
Th: Guck dir mal die Stücke genau an, ob du darin Themen erkennen kannst.
Kl: Ich würde gern mal ein Glas Sekt trinken, aber ich traue mich nicht.
Ich denke, daß ich mir damit schade. Es ist ein Zwiespalt da.
Th: Frag doch mal in dir ... Leber und Milz und wie sie alle heißen.
Kl: Wenn ihr da so bei der Arbeit seid, könntet ihr es vertragen, wenn
ich euch mit einem Glas Sekt zuschütte? Mm, ich glaube nicht. Nein, dann
sind sie besoffen und torkeln da drin durcheinander herum. Das können sie
im Moment nicht gebrauchen, wo sie dabei sind sich zu ordnen.
Th: Naja, dann laß es halt. Guck mal, was aus diesem chaotischen Stückchen
wird, was da für Sekt stand. Schau mal, was das Teilchen jetzt macht.
Kl: Das sucht sich jetzt den Weg, wo es hin gehört.
Th: Ah ja ... daß heißt in dem Moment, wo du etwas ansprichst, was
ungeklärt ist in dir, dann kann es sich lösen oder du mußt dich
halt intensiver darum kümmern. Na, schau dir mal das nächste Teilchen
an!
Kl: Ich laß schon wieder den alten Schlendrian rein. - welchen? - Ich
müßte mehr spazieren gehen, das weiß ich. Mehr an die frische
Luft, auch wenn es regnet. Dabei mach ich es mir schon wieder bequem, weil es
so ungemütlich draußen ist. - Red mal mit deinen Organen - Ich weiß
es doch, die brauchen frische Luft. - Zeig ihnen, wie ungemütlich das ist.
- Obwohl es so stürmich, so kalt und so naß draußen ist, die
brauchen den frischen Wind zum Durchlüften, damit sie besser arbeiten können.
Th: Frage sie mal, wie lange jeden Tag.
Kl: Ja, eine Stunde jeden Tag sollte es schon sein. Ich soll mich ein bißchen
zusammenreißen, sie tun es ja auch.
Th: Laß mal diesen Schlendrian da sein. Horch mal auf das, was er sagt.
Kl: Halte Ordnung in deinem Leben, laß dich nicht wieder so abrutschen.
Th: Das sagt der Schlendrian? Bist du sicher, daß du gerade mit dem Schlendrian
verbunden bist? Frag ihn mal, wer er ist, der da gerade redet.
Kl: Mein Rückgrat!
Th: Ah, der andere Teil. Und jetzt hol mal den Schlendrian dazu. Guck dir mal
an, wie der aussieht.
Kl: Der ist viel kleiner, viel kleiner hier geworden. - Horch mal, was er sagt.
- Das ist auch eine der vielen Versuchungen. - Was sagt er? - Komm doch wieder
ein bißchen auf meine Seite! Laß dich mal wieder mehr gehen, laß
dich mal wieder ein bißchen zurückfallen.
Th: Konfrontiere ihn mal mit deinem Rückgrat.
Kl: Das Rückgrat ist viel stärker. Das haut ihm kurz mal eins über
die Rübe, da zieht sich Schlendrian wieder zurück.
Th: Frag doch mal dein Rückgrat, ob es auf den Schlendrian etwas aufpassen
kann.
Kl: Tut es ja schon die ganze Zeit! - ah ja, die Verhältnisse sind schon
eindeutig? - Ja, ja, mein Rückgrat ist schon viel größer als
der Schlendrian.
Th: Frag doch mal dein Rückgrat, ob es Unterstützung braucht oder
ob es klarkommt.
Kl: Es kommt schon klar. Die Unterstützung gebe ich ihm selber. - es sei
denn, du bist gerade in deinem Schlendrian - Im Grunde weiß ich ja, wo
es lang geht. - Sag es mal dem Schlendrian - Schlendrian, auch wenn du mal wieder
angeschlichen kommst, willst mich ein Stück zurückziehen. Gut möglich,
daß ich mal einen halben Schritt zurück gehe, aber das hole ich ganz
schnell wieder auf. Da mache ich einen großen Schritt wieder nach vorn.
Bin ja auch nur ein Mensch.
Th: Guck mal wie er reagiert?
Kl: Das kleine Stückchen Schlendrian in der Ecke - lacht - das kommt gegen
das Rückgrat nicht an, das ist viel zu groß.
Th: Merkst du, daß während der ganzen Zeit in deinem Bauch ganz viel
passiert?
Kl: Ich fühl mich so leicht, so frei!
Th: Guck mal, was mit den letzten Chaosstückchen da ist. Sind noch viele
da? Wieviele siehst du denn noch?
Kl: Das sind eher die, die schon zu Hause rumliegen. - Beschreib mal, was du
meinst. - Das sind eher die Chaosstückchen, die zu Hause rumliegen, die
da schon warten. - die du dann im Alltag quasi erlebst - Vielleicht kann ich
die selber einsortieren. So im Moment sehe ich gar keine, ich fühle mich
einfach so frei und leicht.
Th: Ich würde trotzdem gern eins noch einmal mit dir machen. Ich würde
gern noch mal zu dem Thema mit den Zysten gehen. Guck mal in deinen Bauch hinein,
und zwar vor der Operation, als du die ganzen Zysten da drin hast. Schau dir
mal jetzt, in dieser Phase, deinen Bauch an und schau mal, ob sich etwas verändert
hat in der Wahrnehmung.
Kl: Ja, die Zysten sind geplatzt, sie sind zusammengeschrumpft, es ist keine
Operation nötig. - Oh ja, zeig das mal den Ärzten! - Ich brauche nicht
mehr zu euch zu kommen ins Krankenhaus, sie sind von selbst zurückgegangen.
- guck mal, wie sie reagieren? - Bah, das gefällt ihnen überhaupt
nicht. Mist, eine Operation weniger, da geht uns aber Geld durch die Lappen!
Th: Geh noch einmal in das Krankenzimmer, das Bild vom Anfang.
Kl: Ich sitze jetzt auf dem Bett. Hans kommt rein, eine Aldi-Tüte voll
mit Wä-sche ... „Na, wie geht’s dir? Bist du froh, daß
sie nicht operieren mußten? Daß die Bauschspiegelung gereicht hat?“
Ja, Gott sei Dank, daß sie die Narbe nicht wieder aufmachen mußten.
Sie konnten die Zysten alle zerstechen durch den Bauchnabel. Da bin ich aber
froh! „Dann kannst du ja schon bald wieder nach Hause. Wenn du am Wochende
wieder nach Hause kommst ... ich muß aber spielen.“ Das macht nichts,
ich habe ja die Kinder, die Kinder sind ja da. Und wenn Oma kommt, kann ich
ja vielleicht mitfahren, wenn ich mich schon wieder fit genug fühle. „Gut,
ich kann nicht lange bleiben, wir müssen gleich üben.“ Ja, fahr
mal, Mutti und Gudrun wollen nachher auch noch kommen. - So hätte es auch
sein können.
Th: Geh mal nach Hause, nimm mal wahr, wie er üben geht, wie es für
dich ist mit den Kindern ... wie du dich dabei fühlst?
Kl: Euer Papa macht Musik, die Leute mögen ihn sehr gern, sie freuen sich,
wenn er Musik macht. Sie sind dann ganz glücklich und tanzen ... Das ist
euer Vater! - wie fühlst du dich? - Stolz!
Th: Nimm die Kinder doch mal mit, zeig es ihnen doch einmal.
Kl: Ja, wir bringen ihn ja weg zum Spielen. Da rennen sie noch ein bißchen
im Saal umher, wo sie gerade die Instrumente aufbauen .... - wie fühlst
du dich? - Ja, wenn die Kinder nicht wären, könnte ich den Abend hier
bleiben. Aber ich muß ja mit den Kindern zurück, die müssen
ins Bett, ich habe keinen Babysitter für heute abend. - ... und wenn sie
mal aufbleiben? Laß sie doch einfach dabeisein. - Nein, sie müssen
ja zur Schule und in den Kindergarten, das geht nicht. Die müssen jetzt
ins Bett. Wenn ich das nächste Wochende mal dabei sein will, dann hol ich
Gerda zum Aufpassen oder ich gebe der Nachbarin den Schlüssel, dann kann
ich mal wieder mitfahren und da bleiben. Das geht.
Th: Ja, dann spür mal, wie du dich fühlst, wenn du heim fährst.
Kl: Ich fahre jetzt nach Hause mit den Kindern, weil sie ins Bett müssen
und denke dabei schon an das nächste Wochenende, wo ich dann dabei sein
kann. Ich freue mich schon darauf. - Ist es dann ok. mit den Kindern heimzufahren?
- Ja, natürlich! Die wären auch gern da geblieben, aber ... Wir können
mal dabei sein, wenn er nachmittags auf dem Schweinemarkt spielt werde ich mit
den Kindern ein paar Stunden da bleiben. - Pause - Hat er mich deshalb abgelehnt
und sich zurückgezogen? - Frage ihn! - Während ich mich verändert
habe, hat er sich gar nicht so sehr verändert. Ich habe mich mit meiner
Eifersucht verändert. - Frag ihn mal! ...ob es ihm zu schwer wurde. - Darum
ist er immer mehr in die Musik geflüchtet, ... er ist geflüchtet!
Ich war so lange so naiv: ich habe gedacht, man heiratet und das bleibt dann
so. Es bleibt dann so wie es ist, wenn man heiratet. Ich wollte es einfach nicht
wahr haben. Ich bin immer diesem schönen Bild hinterher gerannt, es so
aufrecht zu erhalten, wie es vielleicht die ersten zwei, drei Jahre war. Ich
habe nicht bedacht, daß ein Mensch sich ändert. Bei Otto genau so.
- laß ihn jetzt mal da sein! - Otto, du bist so agil und voller Power,
und du hast so große Sprünge gemacht von hier nach da - diese Sprünge
konnte ich gar nicht machen. Du bist so rasant vorwärts gegangen, da bin
ich irgendwo stehen geblieben. Damals wollte ich auch wieder, daß es so
ist, wie die ersten zwei, drei Jahre. Da bin ich in der Entwicklung irgendwo
stehen geblieben. Ich habe mich immer verweigert ... ich wollte es nicht sehen,
daß es weiter geht. Auch mit den ganzen unangenehmen Dingen, die damit
verbunden sind, das wollte ich nicht se-hen. - Was für unangenehme Dinge?
- Daß nicht an jedem Tag alles so lustig ist. Ich wollte, daß alles
so unbefangen und unbeschwert, schön und lustig und leicht ist. Das andere
wollte ich nicht an mich heran lassen, das Unangehme - das wirkliche Leben ...
und alles was dazu gehört, das wollte ich nicht an mich heranlassen.
Th: Dann spür mal, was jetzt ist.
Kl: Ich sehe jetzt mehr, wie es wirklich ist. Jetzt lasse ich es heran, auch
mit den Schmerzen und den Unannehmlichkeiten. Das gehört dazu. Aber es
schreckt mich nicht mehr. Ich könnte mich nur ärgern, daß ich
so alt dazu werden mußte. - beginnt zu weinen - Es hätte schon viel
eher sein können, all die vertanen Chancen, vielleicht wäre dann auch
die ersten Ehe nicht zerbrochen.
Th: Das ist schwierig zu sagen: was wäre wenn ... Du hast dafür viele
Erfahrungen gemacht.
Kl: Oh ja! Vor allem die eine: ich kann niemanden ändern, ich kann auch
niemanden mehr zurückholen. Das ist das Wichtigste: ich kann mich niemandem
an den Hals werfen und ihn umklammern ... Ich muß loslassen!
Th: Wie fühlst du dich jetzt?
Kl: Wie eine Erleuchtete! - lacht - Mir ist ein ganzer Kronleuchter aufgegangen!
Und ich wette, da sind Leute, die sind 60 oder 80 und noch nicht so weit wie
ich jetzt. Meine Oma hat auf dem Sterbebett gesagt: mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen? Das war gar nicht so, das war genau umgekehrt. Das weiß
ich jetzt, das fällt mir gerade im Moment ein. Sie hat ihn verlassen. Das
sind die feinen Unterschiede. Da ist bei mir ja noch Hoffnung! - lacht herzhaft
- Ich muß jetzt wirklich sagen: mein Gott, was war ich blöd, was
war ich dämlich! Obwohl ich es zu dem Zeitpunkt nicht besser wußte.
Ich hatte immer das Gefühl: die Welt ist gegen mich - dabei war ich gegen
die Welt! -
Th: Hör dir noch einmal die erste Session an, die allererste, als du herkamst.
Und spür mal, wie du dich fühltest, damals. Mach das mal!
Kl: ...im Grunde weiß ich ja, was zu tun ist. Die innere Festigkeit fehlt
nur noch. Ich geh los in die richtige Richtung, aber doch mit ein bißchen
wackeligen Beinen.
Th: ... die dürfen wackeln ...